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Hebammen und Physikusse

■ Wie Stadtärzte „Badtmütter“ traktierten

Mit einer Zeit, in der in Bremen die Frauenheilkunde noch ganz in weiblicher Hand war, in der es weder Reproduktionstechnologen noch einen einzigen Gynäkologen gab, hat sich Hannelore Cyrus befaßt. Die Frauenforscherin suchte im Staatsarchiv nach Spuren der „freien Badtmütter“. Eingang in die Akten fanden Hebammen jedoch vor allem dann, wenn die Obrigkeit versuchte, ihre Tätigkeit zu beschränken. Zwischen 1644 und 1875 verloren die „freien Badtmütter“ ihr Monopol an die Ärzteschaft:

Aus dem Jahr 1644 stammt die erste „Ordnung“, in der festgelegt ist, daß über die bremischen „Badtmütter“ „gute Aufsicht“ zu hegen sei. Ab 1672 sollen die „Badtmütter“ durch den Stadtphysikus „examiniret und für tüchtig erkand“ werden. Cyrus vermutet, daß damit Hebammen erstmals der aufkommenden männlichen Konkurrenz ihr jahrtausendealtes, mündlich tradiertes Wissen über Frauenheilkunde und Geburtshilfe preisgeben mußten. Die Ordnungen des 17. Jahrhunderts tasteten das Ausbildugsmonopol der „Badtmütter“ jedoch nicht an. Hebammen sollten Kolleginnen alles eigene Wissen offenbaren, „nicht wiederwertig noch neidisch seyn“.

Ein Jahrhundert weiter hatten die Stadtärzte ihre Position ausgebaut. Die Hebammen wurden 1738 angewiesen, sich in schwierigen Fällen ärztlichen Beistand zu sichern, „nöthige Hülffe“ herbeizuholen. Auch die calvinistischen Kirchenmänner versuchten, Einfluß zu nehmen. Sie schrieben den Hebammen vor, erst einzugreifen, nachdem sie den Namen des Schwängerers erfahren hätten. Handwerklich ausgebildete Chirurgen und Barbiere wiesen die Hebammen an, keine geburtshelferischen Instrumente mehr zu benutzen: Denn „Frauenzimmer“ seien „von Natur selbst nicht geeignet, Geburtshilfe mit Instrumenten vornehmen zu können, weil in mehreren Fällen dabey männliche Kraft erfordert wird...“

1855 stellte der Gesundheitsrat der Stadt Bremen fest, daß sich die Geburtshilfe in Bremen „namentlich in den besseren Ständen, gänzlich in männlichen Händen“ befand. Hebammen wurden nur noch zu den Frauen gerufen, die sich einen Arzt oder Wundarzt nicht leisten konnten. Allerdings mußte der Gesundheitsrat auch feststellen, daß die „weibliche Delikatesse“, das „Schamgefühl“ der Frauen der besseren Stände dagegenstand, daß „bei gewöhnlichen, leichten regelmäßigen Geburten männlicher Beistand angefordert werden muß“. Deshalb setzte sich der Gesundheitsrat dafür ein, den Mangel an „gebildeten Hebammen aus den besseren Ständen“ zu beheben. Die Hebammen-Ordnung von 1875 hieß schließlich: „Instruction für die angestellten Hebammen“. Hannelore Cyrus: „Aus der freien Hebamme mit Ausbildungs-und Berufsmonopol war die subalterne Angestellte im öffentlichen Dienst unter männlich bestimmter Gynäkologie geworden.“

Wer sich für die weibliche Zukunft der Geburtshilfe interessiert, der sei eine Veranstaltung am Freitag empfohlen: „Autonomes Geburtszentrum“.

B.D.

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