piwik no script img

Bunkermentalität

RAF-Hungerstreik: Der Staat bewegt sich nicht  ■ K O M M E N TA R E

Die Zündschnur brennt und weit und breit kein Löschwasser. Im Gegenteil: Volle sechs Wochen brauchte der Staatsapparat, um den Gefangenen zu erklären, daß es das, wogegen sie ihr Leben aufs Spiel setzen, gar nicht gibt. Der nordrhein -westfälische Justizminister hat mit seinem gestrigen Auftritt die Lunte nochmal kräftig angeblasen.

Krumsiek spielt die alte Leier. Er sucht sich die „passende“ Gefangene, malt in bunten Farben ein beinahe paradiesisches Dasein im Knast an die Wand und hofft, so seine Klientel noch einmal um sich scharen zu können. Sein Kollege Remmers in Hannover stimmt ein, CDU und SPD müßten das gemeinsam hinter sich bringen. Augen zu und durch. Dabei ist nicht abzustreiten, daß bei der Darstellung der Haftbedingungen auch auf Seiten der Gefangenen auf eine Weise pauschalisiert wird, die letztlich auf sie zurückfällt. Aber das ist nicht der Kern des Problems. Was der Minister den Gefangenen zuruft, heißt im Klartext: Normalvollzug und dann abschwören. Eine andere Lösung kann und will er sich nicht vorstellen.

Hat der Minister die Hungerstreik-Erklärung Helmut Pohls nicht gelesen? Ist ihm entgangen, daß außerhalb der Mauern bisher vorsichtiger agiert wird als bei früheren Hungerstreiks? Die Unterstützer-Gruppen können offenbar genauer lesen als die professionellen Staatsschützer. Die sehen den Staat gefährdet, wenn 15 Gefangenen über ein Leben nach dem Knast nachdenken und dabei nicht zu Kreuze kriechen wollen.

Gerade in NRW war man schon einmal weiter. Ein halbes Jahr ist es her, da bot man den Gefangenen in Anlehnung an den Dialog-Vorschlag von Antje Vollmer und Martin Walser immerhin das Zusammenkommen in den Knästen an. Das scheint vergessen. Keine Frage, die Gefangenen haben die Zündschnur zu einem für sie gefährlichen Zeitpunkt gelegt. Aber der Sprengsatz stammt dieses mal von der anderen Seite.

Gerd Rosenkranz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen