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Windschlüpfrige Auto-Visionen

■ In der Stadthalle präsentieren 370 Aussteller Autos und Reiseziele / Das Motto: Urlaub fängt beim Fahren an Eröffnungsparade blau-grauer Herren vor dem guten Stern aus Schwaben / 280.000 Autos auf Bremens Straßen

Die Stadthalle ist für vier Tage ein Messezentrum und präsentiert der Deutschen liebste Kinder: Ihre Autos. Und da 60 Prozent aller Urlaubsorte mit dem PKW angesteuert werden, stellen gleichzeitig 170 Aussteller der Tourismusbranche lohnenswerte Ziele vor: von Bad Sachsa bis zur Gemeinde Hatten, vom Legoland bis Bruchhausen-Vilsen.

Überstrahlt wird die KPS-organisierte Messe allerdings vom guten Stern aus Baden-Würtemberg. Sein Emblem prangt auf dem Rednerpult, seine neuen 250er Modelle flankieren die Redner und Mercedes-Benz war es, der den Sekt für die Herren in grau und blau spendierte, die zahlreich zur Eröffnung versammelt waren.

Bernd Meyer sprach für die Stadthalle: „1984 gab es in Bremen 246.000 PKW. Jetzt sind es schon 280.000. Und die Tendenz ist steigend.“ Er verwies aber in moderat kritischen Tönen auch darauf, daß die Bremer Innenstadt dicht ist und es das Ziel der Landesregierung sei, „Autos, Busse und Bahnen in einem sinnvollen Verkehrskonzept zu verknüpfen.“ Von einer Priorität von Nahverkehrskonzepten war allerdings nicht viel zu hören. Stattdessen wies Bernd Meyer darauf hin, daß die Bürger ein Recht auf „freie Wahl des Verkehrsmittels“ hätten und das der richtige Weg in attraktivem Nahverkehr plus ei

nem Autoverkehr läge, der Sicherheit und Umweltverträglichkeit kombiniere. Worte, die den Beifall der anwesenden Automobilisten fanden.

Auf die Bedeutung der Urlaubsmesse wies Manfred Ernst von der Flughafen AG hin. Bundesbürger fahren 32 Milionen Mal jährlich weg, jedes fünfte Mal mit dem Flugzeug. „Wir leben in einer Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft“, sagte Ernst und verlas stolz die prachtvollen Zuwachsraten des Bremer Flughafens, vor allem im Charterverkehr: im letzten Jahr 30 Prozent, in diesem Jahr nicht viel weniger. In harten Zahlen nimmt sich diese Expansion allerdings noch bescheiden aus, denn sie summiert sich auf 60.000 Urlaubsflügen via Bremen. So resümierte Manfred Ernst: „Das Potential der Region ist noch lange nicht ausgeschöpft“, und zeigte dann die Richtungen an, die Bremer Manschinen verstärkt anfliegen sollen: Allemal gen Süden, ab Sommer nach Heraklion und Malaga und verschärft in Richtung Türkei.

Ein Rundgang durch die sechs Hallen der „Auto-Vision“ wird angeführt von Bernd Meyer, der sich nach eigenen Worten: „der Fasination des Autos nicht entziehen kann“. Wem das nicht so geht, ist nach einer Stunde autosatt: zum einen, weil viele der ausgestellten Modelle eben keine

Visionen sind, sondern Straßenrealität. Außerdem sind viele der Modelle vom taz-Lohn nur sehr langfristig abzubezahlen. So kostet der wirklich hübsche Saab 900 Cabrio Turbo 71.600 DM, auf die für Klimaanlage, ABS und Assecoires noch einmal 8.000 DM aufgeschlagen werden müssen. Billiger kommt da das Cabrio Cobra 427, das im Bausatz ab 15.000 DM zu haben ist. Hobbybastler können daraus ein Auto zusammenschrauben, daß in 4,6 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt. Ein Besucher: „Wenn man bei dem auf das Gaspedal drückt, ist man gleich auf dem Mond.“

Sehenswert sind auch die amerikanischen Träume auf Rädern aus den 50er Jahren, so der Pontiac Chieftain, ein Sechs -Meter-Coupe in lindgrün. „Kommst du dir drin vor wie in 'nem Panzer“ kommentiert ein Autofreund. Wer dieses Gefühl käuflich erwerben möchte, muß allerdings 150.000 DM investieren.

Ich habe zwei Modelle zu meinen Favoriten erklärt: einmal das Fahrrad mit Stromlinien-Aufsatz in rot, garantiert umweltfreundlich und wegen Windschlüpfrigkeit 40 km/h schnell und den Mini-Cooper Cabrio, knapp 2,30 Meter lang, 132 km/h schnell und gar nicht mal so teuer: Gerade 20.000 DM.

FWG

Die „Auto-Visionen“ sind noch bis zum 19.3. für 9 (6) Mark Eintritt zu besichtigen.

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