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Uterus - global betrachtet

■ Die eigenen und die fremden Armen an der Vermehrung hindern: Bevölkerungspolitik von Rockefeller bis Kohl / Neue Verhütungstechnologien

Meine liebe, weiße, eurozentristische Dame, Sie haben falsch geraten: Nicht die Pille ist weltweit das verbreitetste Verhütungsmittel, sondern die Sterilisation. Und Puerto Rico im US-amerikanischen Hinterhof führt die Länderstatistik der durchtrennten Eileiter an. 40 Prozent aller „überbevölkerten“ Puertoricanerinnen sind unter US -amerikanischem Einfluß sterilisiert worden. Und die Spirale, die muß gar nicht aus Kupfer sein. Denn Chinesinnen bekommen Stahl-Spiralen in die Gebärmutter fabriziert, die dort zehn Jahre liegen bleiben - ohne daß ein geschäftstüchtiger Gynäkologe oder ein Herstellerkonzern den jährlichen Wechsel dringend anraten kann. Derartige Erkenntnisse rund um den globalen Uterus wurden am Donnerstag in Veranstaltungen zur „Bevölkerungspolitik“ weitergegeben. Nachteilig wirkte sich aus, daß Referentinnen entweder den Drang hatten, zwanzig Länder in ihrem Referat abzuhan

deln (von Bangladesh über Ruanda bis in die Mongolei), oder aber daß Referentinnen ihr angelesenes Globalwissen trocken vom Blatt ablasen.

Die Veranstalterinnen waren sich einig: Der Trend in der Verhütungs-Technologie geht zu den Mitteln, die eine geringe Motivation der Frauen erfordern, langfristig wirken und den Mediziner brauchen. Neuester Schrei: Die Impfung gegen das körpereigene Schwangerschaftshormon. Eine derzeit getestete Spritze, die, zumindest vorübergehend, steril macht. Bereits im Einsatz sind drei umstrittene Verhütungsmittel: Die Hormonspirale, die Drei-Monats-Spritze sowie das Hormondepot „Norplant“, das, in den Oberarm gepflanzt, fünf Jahre lang Schwangerschaften verhindert. Trotz ihrer heftigen Nebenwirkungen werden diese Mittel von den Frauen der unterentwickelt gehaltenen Länder, so Referentin Margret Heider, „gut angenommen“, da sie zu einer Gewichtszunahme führten.

In der Bundesrepublik ist die Drei-Monats-Spritze vor allem in Psychiatrien im Einsatz, in den Oberarmen französischer Psychiatriepatientinnen dagegen steckt „Norplant“. Die Normalbürgerin der Mittel- und Oberschicht (in erster und auch dritter Welt) wird damit zumeist nicht behelligt: Ihr stehen von der BRD bis Brasilien die Zentren zur kostpieliegen Erzeugung von Retortenbabies offen.

Bevölkerungspolitik, so die Referentinnen, entscheidet darüber, wer sich vermehren soll und wer nicht. Bevor in den 50er Jahren die gefährliche „Bevölke rungsbombe“ in der „Dritten

Welt“ ausgemacht worden war, hatten weiße Bevölkerungspolitiker und Eugeniker sich auf die „der Vermehrung nicht würdigen asozialen Unterschichten“ in ihren eigenen Ländern konzentriert. Der Darwinanhänger Rockefeller hatte sich in den 50er Jahren zunächst mittels privater Stiftungen in den Uterus lateinamerikanischer Frauen eingemischt - nach der Devise, so die Referentin Elke Rohdenburg: „Nicht die Armut abschaffen, sondern die Armen“. Auch hatte der frühere US-Verteidigungsminister McNamara darauf hingewiesen, daß ein Guerillero am einfachsten mit bevölkerungspolitischen Mitteln, „im Mutterleib“, zu töten sei. Mittlerweile

verfügt die UNO über ihre eigene Spezialorganisation zur Bevölkerungspolitik (UNFPA), und der Internationale Währungsfonds zwingt Regierungen Maßnahmen zur Geburtenkontrolle auf.

Doch wie hält es eine Ägypterin nun genau mit dem Wunsch, viele Kinder und vor allem Söhne zu gebären, um sich Ansehen, mithelfende Arbeitskräfte und Altersversorung zu sichern - und dem (heimlichen) Wunsch, sich dabei nicht die Gesundheit zu ruinieren und schon gar nicht ihrem Mann jeden Kinderwunsch zu erfüllen? So genau schien sich da leider keine Referentin mit der Zielgruppe der imperialistischen Bevölkerungspolitik auszukennen.

B.D.

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