Der Schrecken der Besenstiele

■ Bei der Kick-Box-Weltmeisterschaft in der Deutschlandhalle wurden Nasenbeine, Baseballschläger und Eisblöcke zerhackt / Im Rahmenprogramm mutierte ein Besen zur Waffe / Neuer Weltmeister ist Don Wilson aus Los Angeles

Nur noch wenige Sekunden bis zum Gong. Gefühlvoll hebt Don Wilson sein Bein, fächelt die Fäuste seines Herausforderers beiseite und drückt ihm den entscheidenden Schlag aufs Auge. Zum dritten Mal in der neunten Runde plumpst Ferdinand Mack auf die Bretter: acht, neun, aus der Traum von der Weltmeisterschaft.

Früher war der 29jährige Ferdi nur ein kleines Licht in der Welt des Boxsports. Bis er auf die Idee kam, es mit der komplizierten Kick-Box-Variante zu probieren. Und schon hagelte es Erfolge. Der Mannheimer Zusatz holte sich vier Welt- und Europameisterschaftstitel und wurde so zum erfolgreichsten Ganzkörper-Boxer der Nation. 5.000 Kampfsportfreunde in der Deutschlandhalle grummeln betreten oder applaudieren sportlich fair dem neuen Champion. Don Wilson ist Gewinner der Kick-Box-Weltmeisterschaft und nimmt jetzt als Profi 20.000 Mark mit nach Hause. Um Mißverständnisse auszuschließen: hierbei mußten keine eckigen Behälter durch die Halle getreten werden, es handelte sich vielmehr um eine Mischung aus Karate, KungFu und dem traditionellen Boxen.

Bevor aber Wilson und Mack als Höhepunkt des Abends den Ring betraten, gab es noch einiges andere zu bestaunen bei dieser laut Manager Mike Anderson bis jetzt „hochklassigsten“ Kick-Box-Veranstaltung in Europa. Zuerst mußten die Ewig-Zuspätgekommenen zu ihren Stühlen stolpern, denn schlagartig verlosch das Licht in der Deutschlandhalle, und ebenso schlagartig drang das „Auge des Tigers“ aus einem der prädikatierten „Rocky„-Streifen schutzlos ins Ohr, dicht gefolgt von Jan Hammers „Miami Vice„-Titelmelodiefetzer.

Dankbarer Jubel und erwartungsfrohes Gejohle begleiteten diese erste Stimulanz, und als das Licht wieder anging, war auch in den aus Hugo-Boss-Anzügen herausragenden solarienbraunen Gesichtern, die die ersten Reihen bevölkerten, zufriedenes Lächeln zu sehen. Bei den stehend hingenommenen Nationalhymnen nach der Vorstellung der Teams aus den USA und der Bundesrepublik zeigten die schwarzbestrumpft und in Rockresten erschienenen Damen erstaunliche Körperbeherrschung und leisteten sich nur wenige Wackler auf den zerbrechlich wirkenden Absätzen ihres Schuhwerks.

Die Sportler der Vorkämpfe gingen da auf Numme sicher und traten barfuß an. Zum Schutz vor Tritten und Schlägen waren sie dafür an Kopf, Händen und Füßen mit speziellen Polsterungen bekleidet sowie zum besonderen Schutz des Lebens mit einer Plastikkappe am Unterleib versehen.

Dem Mannheimer Ralf Kunzler nützte das alles wenig. In einer unübersichtlichen Situation gelangte der Zeigezeh seines Widersachers John Longstreet unglücklich in Kunzlers linke Atemöffnung. Beim anschließenden Trennungsversuch wurde die Nase fast, der Kampf ganz abgebrochen.

Ebenfalls eine Niederlage mußten die Deutschen im Schwergewicht hinnehmen. Zunächst begnügten sich die beiden Dicken damit, dem anderen dauernd ein Bein zu stellen, in den letzten Runden besann sich der Amerikaner Jerry Rhome dann darauf, die Hartnäckigkeit des Bayern Osterrieder im Einstecken von Schlägen zu testen. Nicht boxen durfte hingegen der schöne Mario Dimitroff aus dem Team Rene Weller, da sein Gegner verletzt war. Zur Ehrenrettung trugen schließlich zwei Berliner bei. Klemens Willner und Michael Kuhr hatten es mit den als garstigen Giftzwergen beleumundeten Dorsey-Brüdern aus Texas zu tun, ließen sich davon aber nicht beeindrucken und siegten klar nach Punkten.

Zwischen den Kämpfen füllten eindrucksvolle Demonstrationen in Karate die Pausen. Eisblöcke zerbröselten unter der Wucht eines Schädels, per Schienbein wurde ein Baseballschläger zerteilt - ein Szene-Kenner behauptete, eine Steigerung sei nur noch möglich, wenn eine Thekenplatte mit dem Kopf gespalten würde -, und Formenweltmeister Jean Frennette zeigte, wie man mit einem Besenstiel einen Gegner erschreckt, echt karatesk.

Schmiernik