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Messias und Erleuchtung heute

■ Der Musik zwischen Lagerhaus und Schlachthof auf der Spur / Ein Osterstreifzug durch das Delirium Bremens oder: Wenn einer zu spät kommt, kann er was erleben...

Konzertbesuche wollen gelernt sein, das zeigte sich am Osterwochenende wieder einmal überdeutlich. Denn, einfach hingehen, es wird schon etwas passieren, hört sich bequemer an als es ist.

Bei den Anfangszeiten geht es schon los. Im Lagerhaus Schildstraße hatte Strange Ways zur Party geladen und wer nicht pünktlich erschienen war, verpaßte die musikalische Einstimmung von Lea (voc) und Elisa (git). Mit absoluter Dunkelheit begannen dann The Perc Meets The Hidden Gentleman ihren Auftritt, unterlegt mit der Anfangssequenz von Careful With That Axe Eugene von Pink Floyd, den enervierenden Schrei eingeschlossen. Dem Duo auch diesen Meilenstein der Musikgeschichte zu unterstellen, war zwar von einigen jungen BesucherInnen nett gemeint, doch die fremden Federn haben Redecker / Winschetti gar nicht nötig.

Im Schlachthof hatte sich sehr zum Unwillen des Publikums Lethal Aggression nicht eingefunden. Mehr als doppelt so viele Menschen, wie der Magazinkeller faßt, drängelten vor, um, in und

neben dem Aufführungsort, um zu warten. Nach dem Auftritt einer Bremer Band mit dem zweifelhaften Namen Cunt Suckers war erst einmal wieder Bierpause.

Youth of Today aus New York war nur durch gutes Zureden zu bewegen, sich auf die Bühne zu begeben. Die „Jugend von heute“ war offensichtlich mit dem Ambiente des Veranstaltungsortes nicht einverstanden. Zu viel Bier, von ihrem Frontmann Ray ständig Drogen genannt, sei konsumiert worden, und überhaupt ging es ihnen etwas zu ruppig zu. Die Amerikaner zählen sich zur Straight Edge -Bewegung, die Alkohol, Drogen und angeblich auch Sexualität völlig ablehnen. Diese Einstellung mochten sie nicht nur auf sich selbst beziehen, bekräftigte der Hare Krishna-Mann Ray im Gespräch. Für die lokalen Veranstalter von Change Music fand er nur Sätze, die sich um das nicht so sehr erleuchtete Wort fuck drehten.

Um zwei Uhr morgens war mit einem „I know sucks„ auch dieses Kapitel abgehakt, derweil sich im Lagerhaus noch Menschenmas- sen den Schweiß aus dem Leibe tanzten.

Der nächste Osterabend brachte die langersehnte Erleuchtung. Mit Arm aus Hamburg trat zum ersten Mal in Bremen ein Quartett auf, das zweifelsohne noch von sich reden machen wird. Rauh aber herzlich präsentierten sich die vier, vielschichtig vorangetrieben vom Drummer Stefan Mahler, der mit ständigen Rhythmus- und Tempowechseln Schwerarbeit verrichtete. Ihre Labelkollegen KÖB vom Buback Tonträger boten danach Wiener Gitarrenrock der schrägen Art. Gitarrist Hans Platzgummer, ein schmalschultriger blonder Rauschgoldengel, war dabei erklärter Mittelpunkt des Trios. Schade nur, daß die Nachbarn des Lagerhauses schon früh zu murren begannen ...

Schließlich drückte das Problem der Anfangs- und Endzeiten auch diesem Abend den Stempel auf. Gerade als sich der Saal gewohnheitsmäßig kurz nach zehn Uhr zu füllen begann, war schon wieder Schluß.

Doch eigentlich reichte es für das Wochenende.

Cool J.F.

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