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Vogel: „Modernisierung“ steht fest

Für US-Verteidigungsminister Cheney ist die Modernisierung eine beschlossene Sache / Der SPD-Chef ist von der Deutlichkeit der Äußerung überrascht / Kohl-Regierung will angeblich erst 1991/92 entscheiden  ■  Von Andreas Zumach

Washington / Berlin (taz / dpa) - SPD-Chef Vogel geht davon aus, daß - entgegen anderslautenden Erklärungen von Bundeskanzler Kohl - die „Modernisierung“ der atomaren Lance -Kurzstreckenraketen beschlossene Sache ist und weiter vorangetrieben wird. Lediglich mit Rücksicht auf die Wahlchancen der konservativ-liberalen Bonner Koalition soll diese Tatsache auf dem Nato-Gipfel Ende Mai noch nicht offen ausgesprochen werden.

Mit dieser nach Gesprächen mit dem Verteidigungs- und dem Außenminister der USA vor Journalisten in Washington geäußerten Einschätzung bestätigte Vogel einen entsprechenden Bericht der taz vom Osterdienstag. Verteidigungsminister Cheney habe ihm gegenüber klargestellt, daß die Entscheidung schon längst gefallen sei und die bereits in Gang gesetzten Arbeiten an der Modernisierung weitergehen sollten, erklärte Vogel. Laut Cheney und Außenminister Baker stehe die „Modernisierung“ für Washington außer Frage und werde auch von der neuen US -Regierung für notwendig gehalten. Vogel zeigte sich überrascht über die Deutlichkeit, mit der vor allem der neue Pentagonchef diese Position vertreten habe. Sie stehe im Gegensatz zu den bisherigen Erklärungen Kohls, wonach die eigentliche Entscheidung noch offen und erst 1991/92 fällig sei. In der Sache stellte Vogel bei den US -Regierungsmitgliedern keine Kompromißbereitschaft fest. Wa

shington wolle laut Baker ledig lich eine Krise der westlichen Allianz über diese Frage ver meiden.

Der SPD-Chef rechnet daher mit einer „vagen Formel“ zu der „Modernisierungs„frage im Kommunique des Nato-Gipfels am 29. und 30. Mai. Nach Informationen der taz (siehe 28.3.) wurde Nato-intern vereinbart, mit Rücksicht auf die Wahlchancen der Kohl-Regierung den vom US-Kongreß verlangten und eigentlich für den diesjährigen Nato-Gipfel vorgesehenen Beschluß über die Stationierung neuer Kurzstreckenraketen auf 1991/92 zu verschieben. Für den Nato-Gipfel im Mai ist lediglich eine allgemein gehaltene Formulierung über die Aufrechterhaltung der atomaren Abschreckung und das „up to date“ beziehungsweise „modern halten“ der dafür benötigten Waffensysteme vorgesehen. Kohl hat im Gegenzug zusichern lassen, daß eine von ihm geführte Bundesregierung nach der Wiederwahl einem Stationierungsbeschluß der Nato 1991/92 zustimmen werde. Mit diesem Kompromiß soll der US-Kongreß dazu bewogen werden, die 1989/90 benötigten Haushaltsgelder für die weitere Entwicklung und die Tests der neuen Atomrakete freizugeben.

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