: Aussiedlerpläne verfassungswidrig?
■ Beschränkung der Freizügigkeit für Aussiedler stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken / Lafontaine: „Eingeständnis einer gescheiterten Aussiedlerpolitik“ / Neue Regelungen bei Rentenbezügen
Berlin (taz) - Als „verfassungsrechtlich zweifelhaft und Eingeständnis einer gescheiterten Aussiedlerpolitik“ hat der saarländische Ministerpräsident und stellvertretende SPD -Vorsitzende Lafontaine die am Dienstag bekanntgewordenen Pläne der Bundesregierung bezeichnet, die Freizügigkeit für Aussiedler einzuschränken. Auch der nordrhein-westfälische Sozialminister Heinemann äußerte gestern, er sei skeptisch, ob die Bonner Pläne rechtlich zulässig seien. Ersten Ankündigungen zufolge plant Bonn im Mai ein Gesetz, nach dem neu in die Bundesrepublik zuziehende Aussiedler nicht wie bisher ihren Wohn ort frei wählen können, son dern strikt nach einem Verteilerschlüssel auf einzelne Bundesländer aufgeteilt werden. Ähnlich wie für Asylbewerber gibt es zwar auch jetzt schon einen solchen Länderschlüssel für Aussiedler. Dennoch wurde bisher den Wünschen der Neuankommenden stattgegeben, in die Nähe von Verwandten zu ziehen. Diese Regelung jedoch ist verfassungsrechtlich problematisch, denn Aussiedler gelten - das hat die Bundesregierung oft genug betont - juristisch als Deutsche. Veröffentlichungen des Bundesinnenministeriums weisen ausdrücklich darauf hin, daß Aussiedler die gleichen „staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ wie Deutsche haben. Dazu gehöre auch das Recht auf Freizügigkeit. Lafontaine meinte gestern, es stelle sich die Frage, mit welcher Begründung man den Aussiedlern die freie Wohnungswahl verwehren wolle. Damit käme die Bundesregierung in die peinliche Situation, Aussiedler wie Asylbewerber über die Bundesrepublik zu verteilen. Schwere Versäumnisse hat die Bundesregierung nach Lafontaines Ansicht dadurch begangen, daß sie nicht rechtzeitig mit den Herkunftsländern über Zuzugsbegrenzungen gesprochen habe. Nun müsse sie das „Scheitern ihrer Aussiedlerpolitik“ zugeben und einsehen, daß „diese Deutschtümelei... zu schweren Widersprüchen führt“. Nach Lafontaines Meinung geht es nicht darum, Aussiedler besser in der Bundesrepublik zu verteilen, sondern um die Frage einer Zuzugsbegrenzung, die Schaffung anständiger Unterkünfte und Vermittlung von Arbeitsplätzen. NRW-Sozialminister Heinemann schlug dagegen vor, daß man künftig Bundesländern, die viele Aussiedler aufgenommen haben, entsprechend weniger Asylbewerber zugeweisen solle. Eine sicherlich notwendige Korrektur hat die Bundesregierung bei der Frage des Renten- und des Arbeitslosengeldbezugs für Aussiedler angekündigt. Unter dem Druck der Vertriebenenverbände gab es bisher eine Regelung, die Aussiedler bei der Rente häufig besser stellte als Deutsche. Ihre Rentenbezüge wurden nach ihrem Beruf im Heimatland bemessen. Dabei wurde jedoch nach nur insgesamt acht Berufsgruppen unterschieden, sodaß z.B. ehemalige Verkäuferinnen in dieselbe Gruppe rutschten wie Facharbeiter und eine entsprechend hohe Rente erhielten. In einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundesarbeitsministeriums will die Bundesregierung auch andere Sozialleistungen für Aussiedler überprüfen lassen, darunter auch den sofortigen Anspruch auf Arbeitslosengeld, das bisher nach dem durchschnittlichen Arbeitslosengeld von Deutschen der gleichen Berufsgruppe bemessen wurde.
Ve.
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