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Palme-Mord: Beschluß über fragwürdige Anklage

Trotz unzureichender Beweise soll Mordverdächtiger vor Gericht / Der mehrfach Vorbestrafte hat keinen politischen Hintergrund Neben dem Motiv fehlt auch die Mordwaffe / Aber die Staatsanwaltschaft steht nach drei Jahren Ermittlungen unter Erfolgsdruck  ■  Aus Stockholm Reinhard Wolff

Beißende bis vernichtende Kritik hat in der schwedischen Presse fast ausnahmslos der am Mittwoch bekanntgegebene Beschluß ausgelöst, den seit Dezember in Untersuchungshaft einsitzenden Christer Pettersson wegen Verdachts des Mordes an Ministerpräsident Palme anzuklagen. Die Staatsanwaltschaft habe befürchtet, eines so „idealen Täters“ wie des mehrfach vorbestraften Mannes nicht mehr habhaft werden zu können. Tatsächlich muß der auf der Anklagebehörde lastende Erfolgsdruck, nach über dreijährigen Mißerfolgen einen „Täter“ präsentieren zu können, eine wesentliche Rolle dabei gespielt haben, eine Anklage zu erheben. Daß die Beweiskette nicht vollständig sei und wesentlich auf Indizien beruhe, hatten auch die Anklagevertreter zugeben müssen. Zumindest gebe es „hinreichende Verdachtsmomente“. In den Vordergrund gerückt wurde das fürsorgliche Argument, eine Anklage und damit Klärung des Tatverdachts in einem Gerichtsverfahren stehe auch im Interesse des seit Dezember Inhaftierten. In Schweden war aber bislang die mögliche Reinwaschung von einer Vorverurteilung, an der die Anklagebehörde kräftig mitgearbeitet hatte, ein absolut unübliches Motiv für eine Anklage.

Die Wahrheit ist einfacher: Seit der Verhaftung sind die Ermittlungen trotz aller gegenteiligen Beteuerungen auf der Stelle getreten. Auf Pettersson war man bei einer systematischen Durchforstung der Gewaltverbrecherkartei gestoßen. Dies, nachdem alle anderen Spuren entweder im Sande verlaufen waren oder man ihnen nicht gründlich nachgehen wollte, wie der „Polizeispur“ - die Mutmaßung einer Verschwörung aus rechtsradikalen Polizeikreisen. Die wesentlichen Verdachtsmomente, die jetzt zur Begründung der Anklage genannt werden, hatten schon zur Verhaftung am 14.Dezember 1988 geführt. Er war in der Nähe des Tatorts, hat kein sicheres Alibi und soll von Palmes Ehefrau Lisbeth und vier Passanten wiedererkannt worden sein. Vor allem ist er aber ein nahezu idealer Täter: mehrfach wegen Gewaltverbrechen vorbestraft, alkohol- und drogenabhängig, ein „Täter“ ohne politischen Hintergrund. Das fehlende Tatmotiv wurde von der Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis darauf ersetzt, „Wahnsinnstäter“ hätten eben meist überhaupt kein Motiv.

Neben dem Motiv fehlt auch eine Mordwaffe. In einer um drei Jahre verspäteten, von der Presse als „verzweifelt“ bewerteten Aktion hat die Staatsanwaltschaft vergangene Woche eine neue systematische Fahndung nach allen registrierten Pistolen des mutmaßlichen Tattyps eingeleitet. Bringt dies nichts - der Staatsanwaltschaft bleiben noch vier Wochen bis zur schriftlichen Begründung der Anklage droht Pettersson ein Indizienprozeß.

Eine leichte Aufgabe für einen Strafverteidiger sei der bevorstehende Prozeß, meinte ein bekannter schwedischer Strafverteidiger in einem Fernsehinterview. Allein die drei Jahre nach einer Tat mit großer Vorsicht zu bewertenden Zeugenaussagen, mit einer mehr als unsicheren Identifizierung des Verdächtigen seien für eine Verurteilung absolut nicht ausreichend. Ob er diesen Mann denn wirklich ernsthaft für den Mörder Palmes halte, wurde ein Staatsanwalt bei der Pressekonferenz gefragt. Nach kurzem Zögern eine vielsagende Antwort: „Ich glaube, er könnte von einem Gericht als Täter verurteilt werden.“

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