Kein Disneyland auf dem St.-Pauli-Kiez

Präsidium des FC St.Pauli verzichtet auf den Bau des „Sport-Domes“ auf dem Millerntoracker / Stimmung bei Vereinsmitgliedern, Fußballfans und Kiezbewohnern ist gegen 500 Millionen Mark teure Sport- und Freizeitanlage / Schlappe für Hamburgs Olympiaträume  ■  Aus Hamburg Jan Feddersen

„Volksparkstadion niemals“, skandierten Tausende von Fußballfans am Freitag abend beim Spiel des FC St. Pauli gegen Bayer Leverkusen. Nein, die Sorgen, demnächst im ungeliebten Betonoval an der Peripherie der Stadt spielen zu müssen, sind jetzt hinfällig geworden. Die Absicht des Präsidiums des FC St. Pauli, auf dem heiligen Millerntoracker ein supermodernes, 50.000 Zuschauer fassendes Stadion samt drumherum gruppierter „Erlebniswelten“ mit Konsummeile, Hotel und Kongreßräumen zu errichten, ist wie vom Tisch.

Auf einer Podiumsdiskussion verkündeten der SPD-Politiker Hans Apel (Vizepräsident des FC St.Pauli) und der in mancherlei dubiose Geschäfte verwickelte Vereinspräsident Otto Paulick, auf den Bau dieser Sport- und Freizeitanlage verzichten zu wollen. Hans Apel sprach den Kritikern des Sport-Domes aus dem Herzen, als er leutselig von seinem Besuch des Lokalderbys gegen den HSV im Volksparkstadion erzählte: „Wißt ihr, schön war das nich‘, Fußballstimmung kann ja gar nicht aufkommen bei so viel Aschenbahn zwischen uns und den Spielern.“

Auch Otto Paulick mag plötzlich nicht mehr mittun beim Megaprojekt „Sport-Dome“. Er, der der Planungsgesellschaft schon einmal als Teilhaber angehörte, distanzierte sich nun vom 500-Millionen-Mark-Projekt, das sein Vizepräsident und Architekt Heinz Weisener konzipiert hat. Jetzt will Paulick von „Erlebniswelten“, die die Stadionplaner versprachen, nichts mehr wissen: „Bei diesem Gerede wird mir ganz elend.“

Paulick hatte mal wieder seine Nase im Wind: Er hatte registriert, daß die Vereinsmitglieder, die Anwohner des Stadtteils St.Pauli und vor allem die Fußballfans auf den Stadionneubau verzichten wollen, weil, so ein leidenschaftlicher Besucher von Heimspielen des FC St. Pauli, „wir Erlebniswelten doch jetzt schon haben“. Darüber hinaus befürchteten viele St.Paulianer, daß mit dem Sport -Dome ihr Stadtteil mit billigen Mieten und buntem Outfit Spekulanten zum Fraße vorgeworfen wird: „Die Verkehrsbelastungen würden unerträglich. Und die hohen Mieten könnten wir auch nicht zahlen.“

In Immobilienkreisen wird allerdings noch ein anderer Grund für das Scheitern des Projekts genannt. Der „Sport-Dome -Planungsgesellschaft“ sei nicht gelungen, das Projekt mit einer soliden Kalkulation zu unterfüttern. Abschreibungen, Instandsetzungen und laufende Ausgaben hätten jährlich 50 Millionen Mark verschlungen. 300.000 Mark hätten pro Veranstaltung (Showveranstaltungen, Welt- und Europameisterschaften) eingenommen werden müssen - Hans Apel hält diese Kalkulation für unseriös: „Der Weg in den Konkurs wäre vorgezeichnet.“ Also kein Disneyland auf dem Kiez.

Dabei machten die Planungen des FC St.Pauli durchaus Sinn. Immerhin steht der Verein so hoch in der Kreide, daß Investitionen in Spieler, in Sicherheitsauflagen und in die Sanierung des Stadions vom Millerntorklub vom FC St.Pauli selbst nicht hätten finanziert werden können. Die Investoren des Sport-Dome wollten dem Verein mit zehn Millionen Mark aus der Klemme helfen. Voraussetzung: Während der Bauphase hätten die Millerntor-Fußballer ins Volksparkstadion umziehen müssen. Doch das hätten die Fans nicht mitgemacht. Wie einst nach der Saison 1977/78, als der FC St.Pauli schon einmal in der höchsten Fußballklasse mitmachte, hätte das den Ruin des Vereins bedeutet.

Otto Paulick, Hans Apel und auch Heinz Weisener wollen nun überlegen, wie der Sport-Dome ohne Disneyland-Charakter und ohne einen nötigen Umzug ins Volksparkstadion gebaut werden kann. Ob der Neubau allerdings dem Charakter des Stadtteils St. Pauli entspricht, bleibt offen. Die Fans und Anwohner jedenfalls sind mißtrauisch: „Kann ja sein, daß Paulick uns über den Tisch zieht und nur sagt, daß der Sport-Dome passe ist“, erklärte Frank Weidemann, einer der Sprecher der Anti -Sport-Dome-Initiative, am Freitag.

Dennoch wurde am Freitag abend gefeiert. 2 : 0 gegen Bayer Leverkusen, „geiles Spiel“ (freudentaumelnder Fan) und der Sport-Dome vom Tisch. Die Welt auf St.Pauli ist wieder in Ordnung.

Ungeordnet ist sie hingegen bei Hamburgs Olympiaplanern. Sie hatten darauf gehofft, daß auf dem Heiligengeistfeld, der einzigen städtischen Freifläche, der Sport-Dome gebaut werden würde. Mit ihm hätte sich die Stadt olympiareif präsentieren können. Nach dem gescheiterten „Flora„-Projekt, mit dessen Hilfe Hamburg schon einmal weltstädtisches Niveau nachweisen wollte, ist nun auch der Sport-Dome vom Tisch. Hamburgs Olympiaträume auch.