piwik no script img

Offener Brief an Justizminister Krumsieck

Sehr geehrter Herr Justizminister Krumsieck, seit mehreren Wochen befinden sich Häftlinge der RAF für ihre Forderung nach einer Zusammenlegung in eine oder zwei Gruppen im Hungerstreik. Zumindest für zwei Inhaftierte besteht in diesen Tagen die Gefahr des Hungertodes, falls der Streik nicht beendet werden kann.

Die Meerbuscher JungsozialistInnen haben lange, anfangs auch sehr kontrovers, darüber diskutiert, wie auf diesen Hungerstreik reagiert werden sollte. Uns ist dann aber sehr schnell deutlich geworden, daß es immer die Aufgabe von Politik sein muß, den gewaltsamen Tod von Menschen, egal ob vor oder hinter einer Gefängnismauer zu verhindern. Verhindert werden kann dies aber nur, wenn die verhärteten Fronten aufgebröckelt werden, so daß endlich der Dialog und nicht die Konfrontation gesucht wird.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir den Vorstoß des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Walter Momper, der die Länderregierungen zu einem Dialog ohne Vorbedingungen mit den Inhaftierten aufgefordert hat. Walter Momper hat verstanden, daß eine unbewegliche Haltung des Staates gegenüber Terroristen der RAF nicht dazu geeignet ist, die weitere Eskalation von Gewalt und Gegengewalt, die zu sinnlosen Verbrechen, wie der Ermordung des Herrn von Braunmühl führt, zu unterbinden.

Es hat sich doch in der gesamten, blutigen Geschichte der RAF gezeigt, daß der Terrorismus nichts so sehr braucht, wie die unnachgiebige und autoritäre Gewalt des Staates. Die Unterdrückung des Widerstandes in Wackersdorf durch Wasserwerfer und Polizeiknüppeln, der Versuch Hausbesetzer mit Terroristen gleichzusetzen, die Verschärfung des Demonstrationsrechtes, die Isolationshaft für einige politisch motivierte Häftlinge und vieles mehr, hat doch nicht dazu geführt, den Terror zu bremsen. Vielmehr hat eine jahrelange Politik der rücksichtslosen Ausübung staatlicher Macht, der sich auch Sozialdemokraten, wie es das Beispiel der polizeilichen Einkesselung von DemonstrantInnen in Hamburg gezeigt hat, schuldig gemacht haben, dazu geführt, daß viele Andersdenkende in die Hände derer getrieben wurden, deren Ziel Veränderung durch Mord ist.

Unsere Aufgabe muß es sein, das Vertrauen dieser Menschen für unsere Demokratie wieder zurückzugewinnen. Diese Bemühungen sind aber zum Scheitern verurteilt, wenn in dieser Auseinandersetzung wieder Menschen sterben müssen.

Deshalb richten die JungsozialistInnen an Sie als Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen die Forderung, den Dialog mit den Inhaftierten zu suchen. Prüfen Sie, ob staatliches Einlenken auf die Forderung der Hungerstreikenden wirklich größeren Schaden anrichtet als der erneute Tod von Menschen, oder ob nicht vielleicht ein Umdenken die Chance eines Dialoges, mit dem Ziel weiteren Terror zu verhindern, eröffnet.

Und wenden Sie sich offen gegen die Isolationsbedingungen für einige politische Häftlinge, da diese nicht den gerechtfertigten Sicherheitsbedürfnissen dienen, sondern lediglich die Härte staatlicher Gewalt exemplarisch manifestieren sollen.

Torsten Weyergraf, Jungsozialisten in der SPD, Zentrale Arbeitsgemeinschaft Meerbusch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen