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Honduranische Menschenrechtler unter Beschuß

„Antikommunistische Aktionsallianz“, „Bewegungsfreies Honduras“ und andere rechtsgerichtete Terrorgruppen werden aus der Armee ferngesteuert / Eine PR-Agentur organisierte eine Demonstration von SlumbewohnerInnen gegen die Menschenrechtskommission / Immer mehr Oppositionelle „verschwinden“  ■  Aus Tegucigalpa Ralf Leonhard

„Tod dem Sandinistischen Doktorchen“ steht in schwarzen Lettern an die Wand des Gebäudes gepinselt, das die honduranische Menschenrechtskommission (Codeh) beherbergt. Die Unterschrift: AAA (Antikommunistische Aktionsallianz). Der bedrohte Mediziner und Präsident der Kommission, Dr.Ramon Custodio, hat eine längere Europareise angetreten, nachdem sein Auto unter Beschuß genommen und seine Frau von Unbekannten auf der Straße zusammengeschlagen worden war. Custodio und seine Kommission werden von der Armee als Staatsfeind Nummer eins betrachtet, seitdem Honduras im Juli vergangenen Jahres vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt wurde. Die Codeh hatte die Hinterbliebenen von Verschwundenen beraten und erwirkt, daß sich das regionale Menschenrechtstribunal überhaupt mit Honduras befaßte.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der Codeh, der Anwalt Oscar Anibal Puerto, ist erst vor kurzem wieder aus dem Ausland zurückgekommen. Am 25.Januar, dem Tag, an dem der ehemalige Armeechef Gustavo Alvarez Martinez einem Attentat zum Opfer fiel, hatte die „Triple A“ die beiden Codeh-Chefs, den Sozialdemokraten Jorge Arturo Reina und eine Reihe von Gewerkschafts- und Studentenführern in öffentlichen Erklärungen zum Tode verurteilt. Unter der Herrschaft von General Alvarez, der als hervorragendster Vertreter der Doktrin der nationalen Sicherheit galt und in den Jahren 1981 bis 1984 für ein Klima des Terrors sorgte, sind in Honduras mindestens 131 Personen spurlos verschwunden. Die Drohungen der Untergrundorganisation werden sehr ernst genommen, denn hinter Schattenorganisationen wie AAA, der „Bewegung Freies Honduras“ oder dem „Komitee für Frieden und Demokratie“ steckt, wie Anibal Puerto belegen kann, niemand geringerer als die Armee. Das ist offenkundig, spätestens seit die Streitkräfte eine aufwendige Kampagne gegen die Menschenrechtskommission finanziert haben.

Kurz bevor im Juli letzten Jahres das Urteil vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof erging, brachte das Fernsehen eine Einschaltung, in der die Codeh mit der Demonstration vor der US-Botschaft in Verbindung gebracht wurde. Damals war ein Flügel des Konsulats in Brand gesteckt worden. Die Fernsehredakteure konnten den Vertretern der Codeh anschließend Quittungen für den Spot zeigen, die vom Armeesprecher Juan Sierra Fonseca unterzeichnet waren.

Schon zwei Tage nach den Ausschreitungen gegen die Mission der USA, im April 1988, als in der Hauptstadt der Ausnahmezustand herrschte, waren das Codeh-Büro und die Praxis Dr.Custodios Ziel von Anschlägen mit Feuerwaffen. Am 19.April wollten Sicherheitsbeamte Custodio und Puerto mit vorgehaltenen Maschinengewehren festnehmen. Für Anibal Puerto ist das Datum auch deswegen unvergeßlich, weil am gleichen Tag der 23jährige Studentenführer Roger Samuel Gonzalez verschleppt wurden. Bis heute fehlt von diesem jede Spur.

Die Codeh-Vertreter hatten begonnen, anonyme Drohungen ernstzunehmen, als Anfang Januar 1988 Miguel Angel Pavon, der lokale Leiter des Menschenrechtsbüros der Stadt San Pedro Sula, erschossen wurde. Das war kurz bevor in Costa Rica das öffentliche Verfahren gegen die Republik Honduras wegen des Verschwindenlassens von fünf Personen begann. Als bereits abzusehen war, daß der Prozeß mit einer Verurteilung enden würde, tauchten immer mehr Flugblätter und Plakate auf, die Dr.Custodio als Handlager des Weltkommunismus brandmarkten. Und eines Tages sammelte sich eine Demonstration vor dem Lokal der Menschenrechtler. Vom Büro im zweiten Stock aus zählten Custodio und Anibal Puerto rund 60 Personen, die Transparente schwenkten und Slogans gegen die Codeh brüllten. Auffallend war, daß die Spruchbänder, die die Menschen aus den Elendsvierteln mitbrachten, technisch brillant waren und keinerlei orthographische Fehler aufwiesen. Das wäre selbst für Leute mittlerer Bildung ungewöhnlich. Die Reden, die halbe Analphabeten vorbrachten, waren offensichtlich von Intellektuellen verfaßt worden. Wie sich später herausstellte, hatte eine PR -Agentur den ganzen Auftritt inszeniert. Den Demonstranten aus den Elendsvierteln hatte man anfangs erklärt, es ginge gegen die schlechte Wasserversorgung. Erst bei Beginn des Marsches hieß es dann: Die Gefahr des Kommunismus sei wichtiger als die des Wassers.

Präsident Azcona erklärte in einem Gespräch mit der Menschenrechtskommission, verglichen mit El Salvador und Guatemala seien die Verletzungen der Menschenrechte in seinem Land kaum der Rede wert. Die Organisation „Americas Watch“ hat ihren Bericht über Honduras „Zentralamerikas Nebenschauplatz“ genannt. Tatsächlich nehmen sich 150 Verschwundene seit 1981 neben den Zigtausenden, die in den beiden genannten Nachbarländern spurlos auf die Seite gebracht wurden, geradezu lächerlich aus. Das Verschwindenlassen von zwei Costaricanern und zwei Honduranern, für das Honduras letztes Jahr vom Interamerikanischen Menschenrechtstribunal verurteilt wurde, geht auf die Jahre 1981 und 1982 zurück. Nach dem Tod von General Gustavo Alvarez, dessen Killertruppe „Bataillon 316“ man die Mehrheit der bekannten Fälle anlastet, könnte man sogar dazu neigen, das Kapitel als abgeschlossen zu betrachten. Doch europäische Experten in Honduras meinen, „es verschwinden heute mehr Leute als noch vor zwölf Monaten“, und in der Regel erfährt man aus den Zeitungen gar nichts davon.

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