Hungerstreik: Bonn bleibt hart

Kohl verpfändet sein Wort: Keine Zugeständnisse an Hungerstreikende / Regierung befürchet Anschläge  ■  Von W. Gast und J. Nitschmann

Berlin/Düsseldorf (taz) - Bundeskanzler Kohl hat gestern in Bonn jedes Zugeständnis der Bundesregierung an die hungerstreikenden RAF-Gefangenen ausgeschlossen. Im Rahmen der Pressekonferenz zur Kabinettsumbildung klopfte der Kanzler den Kurs der Hardliner fest: Eine Entwicklung, in der sich der Staat dem Druck der Hungerstreikenden beuge, „findet mit mir nicht statt“, und fügte hinzu: „Das ist ein Wort des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, auf das sich die Bürger verlassen können.“ Der demokratische Rechtsstaat sei nicht erpreßbar und „die Vorstellung, daß Anwälte von terroristischen Gefangenen, die vielfache Mörder sind, diesen Staat erpressen wollen mit Forderungen, wie ich sie in diesen Tagen höre, ist für mich inakzeptabel“.

Dem Berliner Regierenden Bürgermeister Momper, der in einem Brief an den Kanzler ein Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Bonner Regierungschef vorgeschlagen hatte, erteilte er eine rüde Absage. Die Haltung Berlins zum Hungerstreik hätte in einseitiger Weise die einheitliche Haltung der Bundesländer in Gefahr gebracht. Zu einem Treffen mit den Ministerpräsidenten stehe er zur Verfügung, falls dies der Wunsch aller Länder sei, zitierte Kohl aus seinem Antwortschreiben an den Berliner Regierenden Bürgermeister. Ein solches Treffen wird aller Warscheinlichkeit nach nicht stattfinden. So hatte in den vergangenen Wochen und Tagen die Bayerische Justizministerin Berghofer-Weichner den Sinn eines derartigen Treffens in Abrede gestellt.

Baden-Württembergs Justizminister Eyrich hatte ebenso Zugeständnisse kategorisch ausgeschlossen. Er hatte in Stuttgart erklärt, daß er notfalls Tote innerhalb und außerhalb der Gefängnisse in Kauf nehme. Der Staat könne „nicht verhindern, daß es dazu kommt“.

Hatte sich die öffentliche Auseinandersetzung in den letzten Tagen überwiegend um den SPD-Vorstoß gedreht, äußern sich jetzt die Politiker überwiegend unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Eskalation nach dem ersten Hungerstreik -Toten.

Der Bundesregierung lägen „konkrete Hinweise“ auf geplante Anschläge der RAF vor, behauptete gestern in Düsseldorf Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann.

Mit erheblich schwereren Straftaten als den bisher begangenen Brandanschlägen rechnete gestern auch der innenpolitische Sprecher der FDP Burkhart Hirsch. Für den Fall, daß einer der Hungerstreikenden sterben sollte, erklärte er: „Die Situation wird dann eigentlich unlösbar“, der Streit um die Zusammenlegung kleinerer Gruppen dürfe nicht zur Frage „um Leben und Tod“ werden.

Der Leiter der Düsseldorfer Staatskanzlei, Wolfgang Clement, hat unterdessen dem Eindruck Fortsetzung auf Seite 2

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widersprochen, der Vortstoß der SPD-regierten Länder sei endgültig gescheitert. Ministerpräsident Rau und Justizminister Krumsiek nutzen zur Zeit „alle Gesprächsmöglichkeiten, die es gibt“. Clement betonte, er rechne „sofort“ mit einer

Eskalation der Ereignisse, wenn einer der Gefangenen sterbe.

Eine gemeinsame Stellungnahme der Gefangenen gibt es bisher noch nicht. Einigkeit soll dahingehend herrschen, daß sie das Angebot der SPD-Länder solange ablehnen, wie es nur für die in den SPD-regierten Ländern einsitzenden Gefangenen gilt. Christa Eckes, die sich heute zusammen Karl-Heinz Dellwo seit 73 Tagen im Hungerstreik befindet, hat nach angaben ihres Anwaltes diese Haltung dem Düsseldorfer Staatssekretär Heinz Hugo Röwer „unmißverständlich klargelegt“.

Beide Gefangenen sind nach Auskunft ihrer Anwwälte sehr geschwächt.

Nach einem längeren Gespräch mit den Celler Gefangenen Dellwo, Taufer und Folkerts griff der grüne Landtagsabgeordnete Peter Hansen den Vorschlag von Dellwos Anwalt Rainer Koch auf, der eine Zusammenlegung aller RAF -Gefangenen in den Bundesländern angeregt hatte, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur weiteren Aufnahme von Gefangenen signalisiert hatten.