: Galerien: Lozano
■ Schutzbrille tragen!
Lehramtsstudentin, 5. Semester, Seidenshirt: „Pornographie!“ (Macht auf dem Absatz kehrt).
Sozialdemokrat, korpulent: „Dali! Surrealismus!“
Glaser, schick bebrillt: „Religion - Sexualität - Ekel“.
Herr Jose Fernando Lozano, schmal, fast zart im grauen Einreiher, trotz Vollbart nicht glutäugig, obwohl Spanier, mit Krawatte, 31 Jahre alt und wahnsinnig ambitioniert, stellt zum zweiten Mal in Bremen aus, wieder im „El Patio“ am Dobben. Und auch seinen neuen Bilder lassen keinen kalt.
Nehmen wir Nr. 1: Rote Fische, 1986-87 (6800 Mark): auf Eitempera-Undergrund - Späthochmittelalterlook! - zenral zwei Riesenfrauenschenkel, aus denen einen notfallrot eine Möse anspringt, das ganze umflogen von ebenso roten langspitzen Fischen.
Auch sonst, Fische, wohin das Auge reicht, groß und klein, Flossen vom Hai, spitzzähnige Delphine, allesamt mit dem Verschlucken (oder Ausspucken?) dünner nackter häßlicher Menschlein befaßt, gefundenes Fressen für Lozano, der sagt: „Der Fisch ist eine erfrischende Wohnung“. Eine Verdunklung, zweifellos, aber ist es nicht ebenso schwer, einem Traum auf die Spur zu kommen wie - sagen wir - eine Sittengeschichte Spaniens zu schreiben?
Zur Eröffnung der Ausstellung am Freitag las Paul Breiter (der RB-Märchenonkel) einen literarischen Text von Lozano zur Frage „kreativer Impuls oder Bescheidenheit?“. Katsusihika Hokusai (1760-1849), japanischer Maler der 36 Bilder vom Monte Fuji, verhandelt mit Lozano über den europäischen Kunstbegriff und die Bedeutung der Kreativität. Lozanos Ziel: die Bescheidenheit der Sardine.
Kind in Delphin; Menschen aus Fischmäulern ragend; „Frau der Delphine“: Lozano mag in aller Sardinenbescheidenheit das Jonas-und-der-Wal-Motiv ins Fernöstliche gewendet haben, mit Blick auf Wiedergeburt undsoweiter. Daß seine Bilder bescheiden seien, sich bei deren Betrachtung „Leere fühlen läßt“ wie am Monte Fuji, kann ich nicht finden.
Die Heftigkeit der Farbe, der Symbolik, die drastische Bloßstellung der Motive, das alles brennt sich in die Netzhaut, daß man Tage später noch ein Nachbild mit sich rumträgt.
Burkhard Straßmann
Galerie El Patio, Dobben 58, vom 14.4. bis 7.5.89 (Schutzbrille tragen!)
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