WAA: Die CSU bläst zum Rückzug

Bayerns Ministerpräsident Streibl denkt laut über Baustopp in Wackersdorf nach / Rechtsgutachten soll die Möglichkeiten eines Ausstiegs klären / CSU-Chef Waigel bleibt auf Verteidigungskurs / Bonner Regierungssprecher bestätigt: Kohl wußte von Veba-Plänen  ■  Von L.Koch & B.Siegler

München (taz) - Auch bei den notorischen WAA-Verfechtern der bayerischen Regierungspartei setzt sich die Erkenntnis durch, daß die „Oberpfälzer Atommüllfabrik“ nicht mehr zu halten ist. Nach einer Vorstandssitzung in der Münchner CSU -Zentrale verkündete Ministerpräsident Max Streibl gestern überraschend: „Ich war kein heißer Verfechter der Kernenergie.“ Die bayerische Regierung ziehe jetzt einen Baustopp in Erwägung. Streibl: „Die Wiederaufarbeitungsanlage ist kein Prestigeobjekt der Staatsregierung.“

Bis heute nachmittag soll ein Rechtsgutachten klären, ob die Regierung aus dem umstrittenen Bauvorhaben aussteigen kann. Streibl gab bei seiner Ankündigung zu bedenken, daß die Betreiberfirma DWK ja bereits alle Baugenehmigungen für das Milliardenprojekt hätte. Immer wieder betonte der Ministerpräsident jedoch auch, daß die WAA zum nationalen Entsorgungskonzept der Bundesrepublik gehöre. Von Bundeskanzler Kohl verlangte Streibl erneut eine sofortige Stellungnahme zur Zukunft der WAA und beschwerte sich nochmals über die wenig klaren Äußerungen aus Bonn.

Eine endgültige Entscheidung erwartet Streibl beim Treffen zwischen Kohl und dem französischen Staatschef Mitterand am kommenden Donnerstag. Falls diese negativ ausfalle, „können wir nicht darum kämpfen“, erklärte Streibl. „Wir werden dann das Beste daraus machen und unsere Ansprüche stellen“, kündigte er an.

Im Gegensatz zu Streibl äußerte sich der frischgebackene Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzende, Theo Waigel in Sachen Baustopp weniger eindeutig. „Ich habe ständig in Bonn das Nötige gesagt“, rechtfertigte sich der CSU-Chef. Eine Verlagerung nach Frankreich, wie „die Energiewirtschaft leichtfertig glaubt“, löse das Problem seiner Meinung nicht. Grund: Die WAA-Gegner hätten sofort weiteren Widerstand angekündigt. Waigels Idee: die Möglichkeit einer europäischen Konstellation mit zwei Standorten. „Das wäre akzeptabel“, so Waigel. Die bayerische SPD hat für heute nachmittag eine WAA-Debatte im Landtag beantragt. Es wird damit gerechnet, daß bis dahin auch das Ergebnis des Rechtsgutachtens vorliegt.

Von einem geordneten Rückzug der CSU aus dem ins Wanken geratenen Milliardenbau wurde bereits kurz nach Bekanntwerden des VEBA-Umfalls gemunkelt. Von einer einhelligen Pro-WAA-Stimmung innerhalb der CSU -Landtagsfraktion konnte schon da nicht mehr die Rede sein. So zeigte sich der CSU-Vorsitzende des Umweltausschusses, Herbert Huber, vom möglichen Aus für die WAA „positiv überrascht“. Er sei alles andere als unglücklich über diese Entwicklung. Falls es eine europäische Lösung geben sollte, die Wiederaufarbeitung in Bayern überflüssig machen würde, „wäre ich darüber nicht unglücklich“, betonte er. „Wenn wir schon Europa schnitzen, warum dann nicht auch auf diesem Feld?“ Aber auch Oberpfälzer CSU-Abgeordnete waren nicht nur verärgert über den möglichen Ausstieg. Er fühle sich zwischen „Lachen und Weinen“, meinte der Amberger Wolfgang Dandorfer.

Keinerlei rechtliche Probleme sieht der Würzburger Rechtsanwalt, Wolfgang Baumann, falls die bayerische Staatsregierung den Baustopp anstrebe. Nach Ansicht des Rechtsvertreters der WAA-Gegner besteht seitens der WAA -Betreiber weder ein Anspruch auf Fortsetzung auf Seite 2

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

Sofortvollzug noch eine Möglichkeit von Schadensersatzforderungen. „Die Ministerien kommen nicht umhin, die Anordung für den Sofortvollzug des Baus sofort zurückzunehmen“, glaubt Baumann. Ein Baustopp sei „zwingend geboten, um unseren Rechtsschutz zu gewährleisten und die Schaffung von vollendeten Tatsachen unverzüglich zu beenden“. Von den WAA-Gegnern wurde er bereits beauftragt, gegen jede „wie auch immer geartete Atomanlage“ zu klagen. Ausdrücklich hieß es im Zwischenbescheid zur zweiten atomrechtlichen Teilgenehmigung, daß ein atomares Zwischenlager nicht vorgesehen sei. Baumann wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß für

ein solches Zwischenlager ein neuer Genehmigungsbescheid erteilt sowie eine dazugehörige öffentliche Anhörung durchgeführt werden müßte. „Eine schlichte Umwandlung ist nach rechtlichen Gründen ausgeschlossen.“

Bonn (dpa) - Bundeskanzler Helmut Kohl hat die beabsichtigte Zusammenarbeit der deutschen VEBA und der französischen COGEMA bei der Wiederaufarbeitung von Atommüll bereits am 4. April bei seinem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Fran?ois Mitterrand in Günzburg angesprochen. Das Thema sei „am Rande erwähnt“ worden, sagte Regierungssprecher Schmülling am Montag auf entsprechende Fragen zu einer vorher veröffentlichten Erklärung von Kanzleramtschef Schäuble (CDU). Danach hatte VEBA-Chef Rudolf von Bennigsen-Foerder den Kanz

ler am Rande einer Beratung über die Kohleverstromung am 2. März auf die Gespräche mit COGEMA „beiläufig hingewiesen“.