: Nach-Tisch in Polen - Walesa trifft Jaruzelski
■ Nach acht Jahren Schweigen erstes Treffen zwischen Oppositionsführer und dem General erwartet / Die Zeichen stehen auf Normalisierung / Nach der Wiederzulassung Solidarnosc-Büro eingerichtet / US-Präsident verspricht Hilfe - wenn auch nur symbolisch
Warschau/Berlin (dpa/afp/taz) - Während mit militärischem Zeremoniell eine Urne der von Stalins Geheimdiensten ermordeten polnischen Offiziere aus Katyn beigesetzt und damit ein jahrzehntelanges offizielles Schweigen endgültig beendet wurde, wurde gestern nachmittag erwartet, daß sich Lech Walesa und Wojciech Jaruzelski zum Gespräch treffen. Anlaß der historischen Begegnung war die erste Sitzung der „Kommission zur Konzertierung“, die die Verwirklichung der am „runden Tisch“ beschlossenen Abkommen zwischen Regierung und Opposition überwachen soll. Der Anführer der seit Montag legalisierten Gewerkschaft Solidarnosc war zum letzten Mal im November 1981 mit Jaruzelski zusammengetroffen - kurz bevor der das Kriegsrecht verhängte.
Am Dienstag erhielt Solidarnosc ihre neuen Büros in Warschau, in den nächsten Tagen wird die Gewerkschaftszentrale ihre Amtsräume in Gdansk, in der Nähe der Lenin-Werft, beziehen. Bis zu dem für den Herbst geplanten Kongreß der Gewerkschaft werden, wie ihr Sprecher Onyszkiewicz bekanntgab, die im Untergrund gebildeten Führungsgremien bestehenbleiben und den Wahlkampf für die im Juni geplanten Senats- und Parlamentswahlen organisieren.
Kaum hatte am Montag nachmittag das Bezirksgericht in Warschau die offizielle Registrierung der Gewerkschaft bekanntgegeben, versuchte auch Präsident Bush sich in Solidarität: Vor der polnischen Gemeinde der Autostadt Detroit versprach er der polnischen Wirtschaft ein Hilfsprogramm. Er wolle den Kongreß bitten, Polen eine Meistbegünstigungsklausel einzuräumen und sich gegenüber dem „Pariser Klub“ für eine Umschuldung der polnischen Kredite in Höhe von 39 Milliarden Dollar einsetzen. Die Hilfe sei jedoch an feste Bedingungen geknüpft: „Wir werden keine Hilfe anbieten, ohne solide wirtschaftliche Maßnahmen als Gegenleistung zu verlangen. Wir müssen uns erinnern, daß Polen weiter ein Land des Warschauer Paktes ist.“ Vor allem müsse der private Sektor der polnischen Wirtschaft gezielt unterstützt werden.
Ein Regierungsbeamter wies allerdings konkretisierend darauf hin, daß kurz- und mittelfristig „keine großen amerikanischen Regierungsmittel“ nach Polen fließen würden. Bush habe vor allem ein symbolisches Zeichen setzen wollen.
Frankreichs Außenminister Roland Dumas, der sich gestern mit Jaruzelski, Walesa und Kardinal Macharski getroffen hat, erklärte, sein Land werde sich für ein Kooperationsabkommen zwischen der EG und Polen einsetzen. Außerdem wolle sich Frankreich beim IWF für eine Umschuldung verwenden.
smo siehe auch Seite 7
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen