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KEIN LEBEN IM FALSCHEN FILM

■ „Die weißen Zwerge“ im Moviemento

Meine öden und deprimierenden Erinnerungen an den Sprachunterricht hängen eigentlich weniger damit zusammen, daß Vokabeln lernen so langweilig ist. Es sind diese unvermeidlichen Texte in den Übungsbüchern. Freundlich bemüht werden Szenen aus dem richtigen Leben konstruiert.

Da soll es an der Rezeption des Hotels heißen: „Haben Sie bitte ein Doppelzimmer mit fließend Warm- und Kaltwasser?“ „Ich habe mich brieflich für heute angemeldet.“ Im Restaurant: „Haben Sie auch vegetarische Kost (Diätkost)?“ Ablehnung: „Danke sehr, aber das kann ich nicht annehmen.“ So geht es endlos weiter, das ganze Schulbuch hindurch, und dann folgt der Aufbaukurs. Wenn jemand dran ist, sprechen muß, klingt es wie aus einem Roboter, das zugehörige Gefühl fehlt. Ohne Intention wirken die dünnen Sätze so unbrauchbar, daß man sich kaum vorstellen kann, ein Kellner brächte wirklich etwas, und sei's nur Schonkost, an den Tisch.

Leider bleibt das Leben und die Beziehung zwischen Ramona und Friedrich in Dirk Schäfers Film genauso unglaubwürdig. Die weißen Zwerge zeigt in schwarz-weißen Bildern das schwarz-weiße Schema einer „entfremdeten Beziehung“. In lakonisch ruhigen, ja klinisch langweiligen Bildern, wie aus dem Schaufenster eines Discountladens für Auslegware, wird uns das recht unwahrscheinliche Zusammenleben von Ramona (Nirit Sommerfeld) und Friedrich (Michael Schech) in einer Kreuzberger Wohnung gezeigt.

Aber nicht nur das Privatleben der beiden Versuchspersonen wirkt wie geklont, auch am Arbeitsplatz laufen sie wie Falschgeld herum. Das demonstrative Ungeschick bei jedem Handgriff und sein studentisch naives Aussehen disqualifizieren Friedrich schon bei der Erstbeobachtung in der Großküche, dem dünn besetzten Drehort Arbeitsplatz, als ruhiggestellten Jungschauspieler. Daß irgend jemand, und leide er noch so sehr an der Kälte in dieser Welt, auf diese lahmarschige Weise seine Brötchen verdient, das muß selbst im Studentenkino Moviemento auf Unglauben stoßen.

Abgesehen von der Tatsache, daß der Film von Fehlern wimmelt, z.B. daß schon bei der oberirdischen Fahrt der „Linie 1“ als nächster Halt Zoologischer Garten angekündigt wird, ist der Film 75 Minuten zu lang.

Das Tempo bleibt von Anfang an gleich, eine Handlung, gar Spannung, entwickelt sich nie, und dann gehen die Hauptdarsteller, von denen man nur durch den Beizettel erfährt, daß sie sich lieben, am Wochenende Minigolf spielen. Schön zu erfahren, daß es diese kleinen Anlagen noch gibt, ich glaubte, man hätte sie in den siebziger Jahren im Zuge der Asbestsanierung geschlossen. Aber was tun Ramona und Friedrich dort: Sie vergnügen sich. Als Ramona am Montag morgen in der Zigarettenpause von ihrer Arbeitskollegin im Supermarkt die Klage über deren leeres, frustrierendes Wochenende anhört, gibt sie mit starrem Blick auf die Fahrstuhltür, als handele es sich um die unabänderliche Preissteigerung, zur Antwort: „Vielleicht hast Du Depressionen gehabt.“

Susanne Raubold

„Die weißen Zwerge“ ab heute täglich im Moviemento 2 bis zum 26.4. um 22.30 Uhr, 27.-30.4./1.-3.5. im Moviemento 3 um 20 Uhr.

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