Oberster Ankläger El Salvadors ermordet

■ Designierter Präsident Cristiani und US-Botschafter beschuldigen die FMLN-Guerilla / Bisher unbekannte „Bürgerstreitmacht Gerardo Barrios“ bekennt sich / 71 Menschen von Militär verschleppt

Salvador (wps/afp/taz) - Der oberste Ankläger El Salvadors, Generalstaatsanwalt Roberto Garcia Alvarado, fiel am Mittwoch morgen einem Attentat zum Opfer. Als sein gepanzertes Auto mit kugelsicheren Scheiben bei einer Verkehrsampel anhalten mußte, plazierte ein Unbekannter eine mit einem Magnet versehene Bombe auf das Dach des Fahrzeuges. Der Fahrer und der Leibwächter des 53jährigen Juristen überlebten den Anschlag leicht verletzt.

Garcia war erst im vergangenen Dezember von der Nationalversammlung, in der die rechtsextreme ARENA über die Mehrheit der Sitze verfügt, zum Generalstaatsanwalt ernannt worden. Sein christdemokratischer Vorgänger, Roberto Giron Flores, wurde vom Parlament vor allem deshalb gefeuert, weil er von den USA die Auslieferung eines ehemaligen Offiziers verlangt hatte, der in den Mord an Erzbischof Oscar Arnulfo Romero im März 1980 verwickelt gewesen sein soll. Nach Angaben des früheren US-Botschafters Robert White hatte Roberto d'Aubuisson, Gründer der ARENA, die Ermordung des populären Geistlichen organisiert.

Obwohl Garcia nicht Mitglied der ARENA war, galt er als enger Vertrauter Alfredo Cristianis, des Chefs der rechtsextremen Partei, der vor einem Monat zum neuen Präsidenten El Salvadors gewählt wurde und am 1. Juni sein Amt antreten wird. Garcia hatte eine harte Linie der Justiz vor allem Kampf gegen die Stadtguerilla angekündigt.

Cristiani, der vom Attentat auf Garcia beim Frühstück mit Auslandskorrespondenten erfuhr, machte sofort die FMLN -Guerilla für die Tat verantwortlich: „Das war das Werk der FMLN.“ Nach seiner Ansicht mußte der Generalstaatsanwalt sterben, weil er im März per Dekret den Medien verboten hatte, Aufrufe der Guerilla zum Boykott der Präsidentschaftswahlen zu veröffentlichen. Auch der US -Botschafter in El Salvador, William Walker, lastete den Mord, der eine „rationale, vernünftige Linie im Kampf gegen die barbarischen Aktionen der FMLN“ verfolgt habe, der Guerilla an. Die Guerilla übernahm (bis Redaktionsschluß) keine Verantwortung für das Attentat, dementierte aber auch nicht die vorgebrachten Anschuldigungen. In Anrufen bei Radiosendern in San Salvador hat inzwischen eine bisher unbekannte „Bürgerstreitmacht Gerardo Barrios“ (benannt nach einem Präsidenten des Landes im 19. Jahrhundert) die Verantwortung für den Mord an Garcia übernommen. Die Gruppe bezeichnete sich als „demokratische Kraft“, die sich gegen die Guerilla, aber auch gegen die Machenschaften der ARENA wende.

71 Menschen verschleppt

71 Personen, darunter der Mitarbeiter und Projektkoordinator der in Frankfurt ansäßigen Hilfsorganisation „Medico international“, Thomas Gebauer, wurden am Mittwoch nachmittag in San Salvador von Polizei und Militär festgenommen. Die Personen befanden sich alle im Büro des „Christlichen Komitees für die Vertriebenen“ (CRIPDES), das in der BRD vom „Weltgebetstag“ der Frauen in der evangelischen Kirche finanziert wird. Über den Verbleib der Festgenommenen war bis Donnerstag abend nichts bekannt. „Medico international“ hat das Auswärtige Amt und die Botschaft der Bundesrepublik in El Salvador um eine Initiative gebeten.

thos