: Kurdische Organisation vor deutschem Gericht
■ Mammutverfahren gegen angebliche Mitglieder der Kurdischen Arbeiter- und Bauernpartei (PKK) vor seiner Eröffnung in Düsseldorf / Anwälte protestieren gegen „rechtliche Haltlosigkeit der Anklage“ / Erstmalig ein 129a-Verfahren gegen eine ausländische Organisation
Berlin (taz) - Seit Monaten wird am Düsseldorfer Oberlandesgericht gebaut. Für mehr als sieben Millionen Mark läßt das Gericht den Sonderbau für sogenannte „TE„-Verfahren ausbauen, um die räumlichen Voraussetzungen für einen Mammutprozeß zu schaffen, von dem offiziell noch gar nicht feststeht, ob er stattfinden wird. Anklage erhoben hat die Bundesanwaltschaft gegen 17 Personen, die Mitglieder oder Unterstützer einer „terroristischen Vereinigung“ sein sollen, der u.a. fünf Morde angelastet werden.
17 Angeklagte, die jeweils bis zu drei Verteidiger haben können - allein die Anzahl der Personen läßt an türkische Massenprozesse denken. Doch es sind nicht nur diese äußerlichen Analogien. Bei den Angeklagten handelt es sich ausschließlich um KurdInnen, die Verhältnisse in der Türkei werden in dem Prozeß unmittelbar präsent sein. Nach Auffassung von 20 VerteidigerInnen darf es so weit jedoch gar nicht kommen: „Die Anklage“, so teilen sie in einer Erklärung diese Woche mit, „kann, gemessen an rechtlichen Maßstäben, nicht zugelassen werden.“ Tatsächlich handelt es sich um ein Novum in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte. Erstmals sollen Mitglieder oder Unterstützer einer ausländischen Organisation in einem Verfahren nach §129aStgb angeklagt werden. Um dieses Vorhaben realisieren zu können, hat die Bundesanwaltschaft eine, so die AnwältInnen, „abenteuerliche Konstruktion“ geschaffen. Die „terroristische Vereinigung“ ist nicht die PKK insgesamt, die von Syrien aus für einen unabhängigen kurdischen Staat in der Türkei kämpft, sondern ein Teilkomitee der Partei, zuständig für „Parteisicherheit, Kontrolle und Nachrichtendienst“. Dieses Teilkomitee fungiert in der Anklage als inländische „terroristische Vereinigung“, die diverse Straftaten bis hin zu Mord geplant und ausgeführt haben soll. Dieses Konstrukt ist nach Auffassung der Anwälte „in einer Weise konfus und unfundiert“, daß keine „gewöhnliche Staatsanwaltschaft“ derartiges vorlegen könnte.
Die Konfusion beruht vor allem auf folgendem Dilemma: Einerseits will die Bundesanwaltschaft unbedingt die von ihr selbst geschaffenen propagandistischen Vorhaben einhalten und schon wegen der von Rebmann beanspruchten Zentralzuständigkeit im Kampf gegen Ausländervereinigungen die Strafverfolgung selbst betreiben - dafür muß sie das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung im Sinne des Paragraphen 129a behaupten. Andererseits kann sie entgegen ihrer eigenen Propaganda die PKK insgesamt aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht als „terroristische Vereinigung“ anklagen. Der Tatzeitraum reicht für die Bundesanwaltschaft von 1983 bis heute. Der größte Teil der Angeklagten wurde bei einer Großrazzia im Februar 1988 verhaftet und sitzt seitdem unter den verschärften Bedingungen eines 129a-Verfahrens in U-Haft. Die Prämisse der gesamten Ermittlungen ist folgende Einschätzung der Rebmann-Behörde: „Die PKK begreift sich als marxistisch -leninistische Kaderpartei, die ihre illegalen Strukturen in der BRD hinter scheinbar legalen Vereinen verbirgt. (...) Schon seit mehreren Jahren ist es offizielle Parteilinie, daß wirkliche oder vermeintliche Abweichler aus den eigenen Reihen sowie Repräsentanten konkurrierender kurdischer Organisationen verfolgt werden. Abtrünnige Parteimitglieder werden gewaltsam sogenannten Volks- oder Revolutionsgerichten zugeführt, die je nach Schwere der vorgeworfenen Verfehlungen Strafen bis hin zur Tötung der Verräter verhängen und auch vollziehen.“
Tatsächlich hat es in den letzten Jahren sowohl in der BRD als auch in Schweden und Frankreich Morde an ehemaligen PKK -Funktionären und Angehörigen anderer kurdischer Organisationen gegeben, hinter denen Angehörige und Freunde der jeweils Betroffenen die PKK vermuteten. Zwar hat die PKK sich offiziell nie dazu bekannt, doch Äußerungen wie „Da ist eben ein Volksverräter von einem aufrechten Sohn der Revolution bestraft worden“, ließen nicht eben darauf schließen, daß die Partei diese Gewaltakte mißbillige. Andere kurdische Organisationen distanzierten sich daraufhin von der PKK, und auch der überwiegende Teil der bundesdeutschen Linken verweigerte eine weitere Zusammenarbeit. In der offiziellen Diktion der PKK sind die Morde ein Ergebnis türkischer Geheimdienstaktivitäten, u.a. mit dem Ziel, die Befreiungsbewegung zu diskreditieren und somit auch im Ausland zu bekämpfen. Implizit schließen die VerteidigerInnen der jetzt angeklagten KurdInnen sich dieser Wertung an: „Nachdem bisherige Versuche der Kriminalisierung der PKK in Frankreich, Schweden und der Schweiz nur gerige Erfolge zeitigten, soll nun offenbar nach dem Willen der Bundesanwaltschaft die Kriminalisierung in der BRD konzentriert werden.“ Damit komme die Bundesanwaltschaft den Wünschen des Nato-Partners Türkei entgegen, der seit langem darauf dränge, daß „die Terroristen“ auch im Ausland verfolgt werden. Allein daß die Bundesanwaltschaft sich diese Terminologie zueigen mache, beweise, daß die BRD mit diesem Prozeß ihren Teil an Verantwortung für „die Ruhe an der strategisch wichtigen NATO-Ostflanke übernimmt“.
maka
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