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Der Zorn gilt Jordaniens Premier

■ Proteste gegen die Preiserhöhungen auch in der Umgebung Ammans / Kronprinz Hassan kündigt Konferenz über Wirtschaftsprobleme an / Jordaniens gute Zeiten sind seit einem Jahr vorbei

Berlin (taz) - Es müssen Szenen gewesen sein, wie sie die Jordanier im Fernsehen aus den israelisch besetzten Gebieten kennen: Demonstranten, die sich Straßenschlachten mit der Polizei liefern, Tränengas, Schüsse. Doch nicht die Palästinenser, die die Mehrheit der Bevölkerung im haschemitischen Königreich stellen, gingen in den letzten vier Tagen auf die Straße, um gegen die vom Inernationalen Währungsfonds verordneten Preiserhöhungen zu protestieren.

Ihren Ausgang nahmen die Demonstrationen in der dem Königshaus treu ergebenen, aber ökonomisch schlecht gestellten südlichen Region des Landes, wo inzwischen seßhafte Angehörige von Beduinenstämmen leben.

Dort patrouillierten gestern Panzerwagen durch die Straßen, in mehreren Fällen wurden auch Ausgangssperren verhängt. Die Demonstrationen dehnten sich gestern dennoch auf Ortschaften in der Umgebung der Hauptstadt Amman aus.

Während es sich bei den ersten Protesten nach Angaben von Beobachtern um spontane Unmutsäußerungen gehandelt haben soll, berichteten Bewohner von Naour, Marj al Hamam und Madaba, die Demonstrationen hätten nach dem Mittagsgebet beim Verlassen der Moscheen begonnen und seien möglicherweise von islamischen Fundamentalisten organisiert worden.

Der jordanische Kronprinz Hassan kündigte die Einberufung eines Wirtschaftskongresses auf erweiterter Ebene an, auf dem die aktuellen ökonomischen Probleme Jordaniens erörtert werden sollen. In einem Interview mit dem britischen Rundfunksender 'BBC‘ bezifferte er die Zahl der Opfer der Unruhen auf acht Tote und über dreißig Verletzte. Einer inoffiziellen Zählung zufolge sollen zehn Menschen, darunter auch zwei Polizisten, ums Leben gekommen sein. Im Kreuzfeuer der Kritik der Demonstranten stand in den letzten Tagen jedoch nicht das Königshaus, sondern Ministerpräsident Said Rifai, der bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren in zahlreichen Fernsehauftritten der Bevölkerung das Blaue vom Himmel versprochen hatte. Bei den jetzigen Protesten wurde wiederholt sein Rücktritt gefordert.

Seit dem letzten Herbst mehrten sich in Jordanien, das als eine Oase der Stabilität galt, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die für einen Zeitraum von zehn Jahren vereinbarten Hilfszahlungen der arabischen Ölstaaten liefen aus, die lukrativen Arbeitsplätze in den Golfstaaten wurden rar. Und zahlreiche Palästinenser legten ihre Gelder in anderen Ländern an oder zogen Summen aus Jordanien ab, nachdem König Hussein vor einem Jahr seinen Anspruch auf die Westbank offiziell aufgegeben hatte. Eine Abwertung des Dinar führte bereits damals zu einer Preissteigerung von 50 Prozent bei importierten Gütern.

Angesichts einer Auslandsverschuldung von sechs Milliarden Dollar und einer Bevölkerung von knapp drei Millionen Einwohnern beantragte die Regierung beim Internationalen Währungsfonds einen Kredit in Höhe von 125 Millionen Dollar und eine Weltbank-Anbleihe von 150 Millionen Dollar.

Die Folge: Preiserhöhungen bis zu 50 Prozent für Güter des täglichen Gebrauchs wie Benzin, Getränke oder Seifenprodukte. Für viele Jordanier, die schon seit einem halben Jahr mit ihrem Geld kaum noch auskamen, war dies der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte.

b.s.

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