: Quotiert, quotierter, am quotiertesten
■ Menschenrechte gelten ab sofort auch für Sozialistische Deutsche ArbeiterInnen-Jugend SDAJ beschloß radikale „Feminisierung“ / Gremienmacht zu 60 Prozent an Frauen, Chauvis amtsunwürdig
In der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) gelten seit gestern ausdrücklich die Menschenrechte. Exakt zweihundert Jahre nach der französischen Revolution beschloß am Wochenende auch die Bremer Nachwuchsorganisation der DKP auf einer Landesmitgliederversammlung: Die Würde des Menschen ist auch innerhalb der SDAJ unverletzlich, Frauen und Männer sind auch verbandsintern gleichberechtigt, die Meinung ist auch dann frei, wenn sie Vorstandsbeschlüssen widerspricht. Mit großer Mehrheit stimmten rund 80 Mitglieder im Jugendfreizeitheim Findorff dem Grundsatz zu: „In der SDAJ gelten die Menschenrechte“.
Die Provokation dieses Beschlusses war den NachwuchskommunistInnen gestern durchaus bewußt, schien ihnen aber gleichwohl nötig. Zu lange durften Frauen auch unter KommunistInnen nicht ausreden, wurden eher mitleidig betrachtet, wwurden totgeredet oder totgeschwiegen, lautete die Selbstdiagnose über den „Geschlechterwiderspruch innerhalb der SDAJ“.
Zeiten, in denen es als „unmarxistisch“ galt - so ein DKP -Vorstandsbeschluß älteren Datums -, wenn Kommunistinnen sich in eigenständigen Partei- oder SDAJ-Gruppen organisieren, sollen endgültig jetzt der Vergangenheit angehören. Die selbstkritische Bestandsaufnahme lautet: „Auch die SDAJ ist ein patriarchalisch strukturierter und männerdominierter Verband“ - und genau damit will die SDAJ mit sofortiger Wirkung Schluß machen.
Die Anfänge dazu wurden gestern in einer Konsequenz gemacht, daß selbst ReformerInnen bei einzelnen Anträgen leicht plümerant wurde. Daß aktive Funktionäre nur noch KaderInnen heißen, Anträge auf Schluß der Debatte bei Strafe eines Buh-Konzerts als Anträge auf „Schluß der RednerInnen-Liste“ gestellt werden müssen, gehört auch in der SDAJ inzwischen zum Arsenal selbstverständlicher Umgangsformen. Ebenso unstrittig der Vorsatz, künftig nur noch Texte zu veröffentlichen, in denen grundsätzlich „in der weiblichen Form gesprochen wird“.
Zaghafte Kontroversen gab es aber denn doch angesichts der Frage, ob - bei einer im Prinzip selbstverständlichen Quotierung - mindestens 50 Prozent oder sogar 60 aller SDAJ -Gremien-Sitze den Frauen vorbehalten bleiben sollen. Selbst eine Frau hielt es für „unverantwortlich, wenn
qualifizierte Typen rausgeschmissen werden müssen, bloß weil sie keine Frauen sind“. Bei der Abstimmung unterlag sie gleichwohl. Bei rund 50 anwesenden Männern und 25 Frauen fand die Mehrheit: Männer müssen sich in der SDAJ ab sofort mit 40 Prozent der Gremien-Macht begnügen. Und auch das gilt nur unter dem Vorbehalt, daß sie keine Chauvis sind: Bei der Wahl männlicher Kandidaten gilt deren Verhalten gegenüber Frauen ab sofort als Qualifikations-Kriterium.
Da kriegten nun selbst von der überfälligen „Feminisierung“ gründlich Überzeugte leise Bauchschmerzen. Wer denn wie feststellen soll, was als „sexistisches Verhalten“ für Ämterkandidaturen diskreditiere, will einer wissen, und ob nicht die Gefahr bestehe, daß politisch unbequeme Positionen auf der „Sexismusschiene“ ausgetragen werden.
Die Frage hätte er wohl besser nicht stellen sollen, überlegt er sich anschließend. Sie könnte künftigen Kandidaturen hinderlich sein. Offiziell erfährt er: Was sexistische SDAJ-Männer sind, beschließen die Frauen autonom. Und wer fürchtet, daß die damit politisch unbequeme Meinungen ausgrenzen wollten, hat sich nur selbst entlarvt.
K.S.
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