: Der Traum von der Selbständigkeit
■ „Gründerinnen-Forum“ während der Gründertage für Frauen, die sich selbständig machen wollen / Jede 3. Neu- gründung erfolgt durch eine Frau, aber rund ein Drittel der Unternehmerinnen verdient weniger als 1.000 Mark
Die eine träumt von einem alternativen Kaufhaus, die andere denkt an ein Schreibbüro. In den letzten Jahren ist unter den Frauen das Gründungsfieber ausgebrochen. Jede dritte neue Existenzgründung wird derzeit von einer Frau ausgeführt.
„Es ist ein ziemlich großer Traum von Frauen, sich selbständig zu machen“, bestätigt auch Gerda Lischke vom feministischen Frauennetzwerk Goldrausch e.V. Gründungsinteressierte Frauen konnten sich am Wochende während der diesjährigen Berliner Gründertage auf einem speziellen „Gründerinnen-Forum“ über den Sprung in die Selbständigkeit informieren. Die „Gründertage“ finden zum fünften Mal statt. Rund 1.000 Teilnehmer interessierten sich auch dieses Mal wieder für die Informations- und Beratungsveranstaltungen im ICC.
Rund 4.100 neue oder übernommene Unternehmen in Berlin verzeichnete das Statistische Landesamt im letzten Jahr. Diese Zahl allein sagt jedoch nach Meinung der Industrie und Handelskammer nur wenig über die Art und Qualität der Existenzgründungen aus. Hinter dem scheinbaren Gründungsboom verbergen sich in der Mehrzahl Klein- und Kleinstunternehmen. Die Ursachen für das wachsende Gründungsinteresse von Frauen liegen nach Meinung von Gerda Lischke zum einen in der schlechten Arbeitsmarktsituation. Zum anderen sehen ihrer Meinung nach Frauen in der Existenzgründung eine Möglichkeit für Selbständigkeit und Selbstverwirklichung. Oft stehe dabei der materielle Erfolg nicht an erster Stelle: „Viel Geld ist den Frauen weniger wichtig“, so Gerda Lischke. Sie erhoffen sich aber zum Beispiel mehr persönlichen Freiraum und auch Zeit für die Familie.
Die harte Realität sieht jedoch oft anders aus. Sowohl das Frauennetzwerk Goldrausch als auch Economista e.V. bieten deshalb Orientierungskurse für gründungsinteressierte Frauen an, die zehn beziehungweise drei Monate dauern. „Teilweise sind das auch richtige Abschreckungskurse“, sagen Juliane von Clausbruch und Birgit Flore von „Economista“. So verdienen weibliche Unternehmer deutlich weniger als männliche Unternehmer. Im Gegensatz zu 30 Prozent der Männer verdienen nur neun Prozent der Frauen mehr als 4.000 Mark. Fast ein Drittel der Selbständigen Frauen hat ein Einkommen unter 1.000 Mark.
Die meisten Frauen machen sich im Handel oder im Dienstleistungsbereich selbständig. „Frauen wollen meist klein anfangen“, so die Erfahrung der „Economista„-Frauen. „Die Hotelpension, das kleine gepflegte Restaurant“ sind oft ein ganz großer Wunsch. Nur wenige Frauen machen sich als Handwerkerinnen selbständig oder wagen sich gar in den Technologie- und Innovationssektor. Die Orientierungskurse sollen Frauen auch helfen, geschlechtsspezifische Gründungshindernisse zu überwinden. Konzeptentwicklung, Finanzplanung, Standortauswahl und andere Gründungsvorbereitungen müssen zwar sowohl männliche als auch weibliche Gründer vorlegen, „aber damit“, so Gerda Lischke, „hört die Gleichheit auf“.
Frauen haben häufig nur ein geringes Eigenkapital, werden von ihren Ehemännern nur wenig unterstützt, konnten sich in ihrer bisherigen Berufstätigkeit oft nur weniger qualifizieren als ihre männlichen Kollegen. Bei Banken stoßen sie häufiger auf Vorbehalte, wenn es um die Kreditbewilligung geht. Doch in dieser Hinsicht, so Lischke, habe sich in den letzten Jahren doch einiges verbessert. Die Orientierungskurse von „Economista“ und „Goldrausch“ umfassen deshalb auch Rhetorik- und Persönlichkeitstraining. Das kostenlose Kursangebot, das von der Frauenbeauftragten und vom Wirtschaftssenat finanziert wird, richtet sich vor allem an Frauen, die nach der sogenannten Familienphase wieder einen Einstieg ins Erwerbsleben versuchen wollen. Ziel, so betonen die Kursleiterinnen, ist nicht die Gründung um jeden Preis. „Wir wollen in dem Kurs rausfinden“, so die „Economista„-Frauen, „ob Gründung für die Frau ein Weg sein kann.“
Frauke Langguth
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