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Bischof Kruse fordert nachgiebigen Staat

■ Erstmals bricht der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland sein Schweigen zum Hungerstreik der RAF-Gefangenen Kruse sieht „Raum für bestimmte Formen der gemeinsamen Unterbringung“ / Bundesländer sollen gesetzlichen Spielraum nutzen

Berlin (taz) - Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Martin Kruse, hat die verantwortlichen Politiker in Bund und Ländern aufgefordert, sich gegenüber der Zusammenlegungs-Forderung der hungerstreikenden Gefangenen der RAF und anderer militanter Gruppen flexibel zu verhalten. Die gesetzlichen Bestimmungen ließen „durchaus Raum für bestimmte Formen der gemeinsamen Unterbringung“, sagte Kruse gestern in einem Interview des 'Evangelischen Pressedienstes‘ ('epd‘). Damit brach Kruse sein fast vierteljähriges Schweigen zu dem Hungerstreik, der am 1.Februar begonnen hatte.

Der EKD-Ratsvorsitzende bezeichnete die Haftbedingungen der RAF-Gefangenen als „vielfach nicht normal“. Der Staat vergebe sich nichts, wenn er „belastende Sonderbedingungen“ überprüfe. Wo diese aus Sicherheitsgründen fortbestehen müßten, sollten sie „durch andere Maßnahmen ausgeglichen“ werden. „Es wäre zu prüfen“, sagte Kruse, „welche Formen der Zusammenlegung der Resozialisierung dienen können, die bei anderen Häftlingen durch andere Vollzugslockerungen gefördert wird“.

An alle an dem Konflikt Beteiligten richtete der Bischof die Aufforderung, die mit der Unterbrechung des Hungerstreiks durch Christa Eckes und Karl-Heinz Dellwo gewonnene Zeit „mit dem Ziel der Veränderung“ zu nutzen. Gegenwärtig stehen sich nach Auffassung Kruses die Gefangenen und ihre Unterstützer auf der einen und die Justizbehörden auf der anderen Seite unversöhnlich gegenüber. „Wenn beide hart bleiben wird es, fürchte ich, nur eine Frage der Zeit sein, daß der Konflikt wieder Menschleben fordern kann und sich gleichzeitig ein Klima der Hysterie, der Feindschaft und der rücksichtslosen Härte in der Gesellschaft entwickelt, das uns allen schadet“.

Strikt wandte sich der EKD-Ratsvorsitzende gegen den Vorwurf, RAF-Gefangene sollten in der Haft bevorzugt werden. Vielmehr gehe es gerade um die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes. Gleichheit sei nicht mit Gleichförmigkeit zu verwechseln. Gleichheit bedeute auch, daß für alle Gefangenen das „Vollzugsziel der Wiedereingliederung“ bestimmend sein müsse. Kritik übte Kruse allerdings am Mittel des Hungerstreiks als Druckmittel. Die Androhung des Selbstmordes mit dem entsprechenden emotionalen Echo in der Öffentlichkeit könne im demokratischen Staat nicht hingenommen werden. Die schweren Taten der RAF-Gefangenen seien nicht „weniger strafwürdiges Unrecht“, als andere Straftaten.

„Ich möchte die Verantwortlichen in den Bundesländern und in Bonn ermutigen, den Spielraum auszunutzen, den die geltenden gesetzlichen Bestimmungen geben“, sagte Kruse. Eine eindeutige Aufforderung an die verantwortlichen Politiker in den „christlich“ regierten Ländern und in Bonn, ihre Blockade-Haltung endlich aufzugeben.

Kruse war in den vergangenen Kirche mehrfach kritisiert worden, weil er öffentliche Äußerungen zum Hungerstreik stets verweigert hatte. Auch nachdem sich der Regierende Berliner Bürgermeister Walter Momper mit seiner Vermittler -Initiative Ende März dagegen ausgesprochen hatte, die Auseinandersetzung um den Hungerstreik weiterhin „im Stile der Geheimdiplomatie des 19. Jahrhunderts“ fortzusetzen, setzte Kruse weiter auf nicht-öffentliche Aktivitäten der Kirche.

Gerd Rosenkranz

Eine staatlich verordnete Verkürzung der Studienzeiten in der Bundesrepublik wird nach Aussage des VDS im Sommersemester „eine Welle des Protestes“ an den Unis auslösen. Heute fehlten bereits mehr als 650.000 Studienplätze. Den gestern in Bonn tagenden Kultusministern empfahl der VDS, endlich die Hochschulen auszubauen. Gegenwärtig studieren in der Bundesrepublik rund 1,47 Millionen, als ausgebaut gelten aber nur 783.000 Studienplätze.dpa/Foto:Zero

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