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Party-Projekt im Maxx

■ Die Rückkehr der Enterprise

Wann habe ich eigentlich aufgehört, die Welt zu verstehen? War es vielleicht, als man versuchte, mir weiszumachen, daß auf Musik eigentlich nur dann zu tanzen ist, wenn das BumBumBummern der bass-drum ebenso brachial in meine Magengrube rammt, wie die Obertöne der straighten Snares sich durch meinen Kopf bis in die Haarspitzen knabbern? War es, als ich abends nach der Arbeit an der Stanzmaschine Musik anmachte und die Fortsetzung der Maschine hörte. Dancefloor-Maximegaversions von irgendwas, so gleichförmig, daß auf Dauer und bei entsprechender Lautstärke, selbst die Steine das Tanzen begännen.

Das war vor Jahren, und damals lief im TV immer die Lieblingssendung aller darwinistischen Soundmischer. „Raumschiff Enterprise“ befruchtete kreative Menschen zu solch großartigen Ideen, wie der, ein vulgäres Tonbandgerät zu einem Videorekorder umzubauen, um mit alten Ramschbändern die bahnbrechend philosophische Science Fiction-Serie komplett und preiswert aufzuzeichnen.

Seitdem hat sich viel verändert, ich verstehe immer weniger von der Welt und ihren Bewohnern, die nun dazu übergegangen sind, ihre Parties von Sachverständigen ausrichten zu lassen. Das ist auch besser so, denn im Dschungel der 4/4 -Endlos-Samples kennt sich kein Laie mehr aus, es könnte passieren, daß man zur falschen Musik tanzt, und das geht ja nicht. Per definitionem.

Um die Lebensqualität in unserer Stadt zu retten, wird heute abend ein Experten-Team aus Profi-Großstädtern die Disco „Maxx“ in das „Raumschiff Enterprise“ verwandeln und die passende futuristische Tanzmusik in die gebeutelten Ohren pressen. Und die Welt dreht sich weiter und sagt gar nichts.

auf und ab. Grün-weiße, aber auch Zivilfahrzeuge des SEK. Das Konzert wird als Sicherheitsrisiko gehandelt. Am Eingang Mengen von Papier. Der Aufruf zur zentralen Hungerstreikdemo, und zur Bildung eines revolutionären Blocks am 1.Mai in Bremen. Von den Hungerstreikinfos gucken die Gesichter der Gefangenen. Zwei Herren kommen durch die Tür, der Kassierer läuft ihnen hinterher. „Erst bezahlen“. Die beiden zücken Ausweise, Polizei in Zivil. Höflich werden sie gebeten, die Veranstaltung zu

verlassen, nach einigem Zögern gehen sie. Auf der Bühne spielt mittlerweile die erste Band. Dukes of Incest, der Drummer steht im Lehmanns hinter der Theke. Jetzt produziert er schnelle Punkrythmen, viel Hi-hats und Snears, die Gitarre steuert Rockiges bei und der Bassist Gruftyklänge. Die Mischung stimmt, ein guter Einstieg.

Dann die Schlacht. Fünf Bremer Lokalmatadore. Ein dreiviertel Jahr sind sie nicht aufgetreten, und was sind sie gut geworden. Das Publikum ist schon nach dem ersten Lied völlig außer Rand und Band. Es wird viel geklatscht und gepogt. Trio, der Sänger, schreit sich die Seele aus dem Leib und auch Bassist Uwe Loose macht sich so fertig, daß er im eigenen Schweiß zu ertrinken droht. Höhepunkt: Das Lied für die Polizei, beim Tanzen stürzen fast die Boxen um, 250 Leute sind begeistert. Noch einmal wird die Band ganz schnell und dann müssen sie aufhören. Schade! Aber eins ist klar: Die Schlacht kann sich an jedem Auftrittsort, an dem Punkbands nur spielen, sehen lassen.

Doch das Konzert muß wegen der ewigen Nachbarn um 23 Uhr zu Ende sein und Stop Eating sind extra aus Hamburg angereist. Der Tazkulturredakteur hatte mich gewarnt: „Die spielen schlecht und wohnen in absolut unmöglichen Verhältnissen“. Na, step, ich fands gut, was die so für Musik drauf hatten. Der Sänger, dieses Lächeln, diese Augen.

Als ich das Lagerhaus verlasse, seh ich in ein bekanntes Gesicht. Ein SEK-Gesicht. Ein Mitglied jener schlagkräftigen Bremer Polizeitruppe steht hier vorsichhinspitzelnd im Dunkeln auf einsamer Wacht. Ich will vorbei, da kommt die Frage: „Ist das Konzert vorbei?“. In meinem Kopf erscheint ein Bild: Asterixcomic, der Lewgionär, „Vertrauensseelius“ versucht Nachrichten über die Gallier zu sammeln. „Ja, das Konzert ist vorbei“. „Und wie wars?“ „Gut“. „Im Schlachthof das Konzert soll besser gewesen sein“. Nein, ich werd nicht mehr, ein Sachverständiger in Sachen Punkmusik. Da taucht aus dem Dunkel eine Frau aus der sog. autonomen Scene. Oh Gott, mein Ruf ist eh nicht der beste, und jetzt plauder ich hier mit einem Ziwi, der jedoch wendet sich gleich ihr zu. Mit einem fröhlichem „Guten Abend, Fräulein H....“ versucht er jetzt, mit ihr Konversation zu

machen. Die spinnen, die Römer, denk ich bemir und mach mich Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren PolizeiasDraußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos Draußen fahren Polizeiautos davon.

Wolfram Steinberg

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