: „Ich kann die Breite nicht herstellen“
Der Politologe Wolf-Dieter Narr steht als Redner bei der Hungerstreik-Demonstration nun doch nicht zur Verfügung. Die taz sprach mit ihm über die Gründe für seine Absage ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Narr, warum wollen Sie nicht mehr bei der Demonstration in Bonn sprechen?
Wolf-Dieter Narr: Ich habe meine ursprüngliche Zusage ohne ausreichende Informationen über die Hintergründe gegeben. Inzwischen habe ich eingesehen, daß die Demonstration, die selbstverständlich nicht verboten werden darf, nicht dem Zweck dient, den ich für wichtig halte.
Welche Informationen haben Sie zu Ihrem Rückzug veranlaßt?
Ich hatte nicht mitgekriegt, daß zum einen die Gruppe, der ich selbst angehöre - das Komitee für Grundrechte und Demokratie - ihre Zusage mit guten Gründen zurückgezogen hatte. Zum andern habe ich nicht gewußt, daß bei der Vorbereitungssitzung in Köln unter anderem Jürgen Seifert (Professor Seifert ist Politologe und Vorstandsmitglied der Humanistischen Union, d. Red.) als Redner abgelehnt worden war, weil er den Osterappell unterschrieben hatte. Ich habe diesen Appell selber nicht unterschrieben und finde auch nicht, daß das das Gelbe vom Ei ist. Aber jemanden zu diskriminieren, der das unterschrieben hat, halte ich für unmöglich.
Die Bitte an Sie, dort zu reden, sollte den Eindruck einer mutwilligen Einengung des Teilnehmerspektrums zurechtrücken. Wird mit Ihrer Absage dieser Eindruck nicht noch verfestigt?
Selbstverständlich ist die ganze Zerferei ärgerlich und für die Sache schädlich. Aber jetzt, nachdem der Vorlauf so schlecht war und der Streit mitnichten zu Ende ist, muß ich den Eindruck haben, daß ich nicht gebraucht, sondern eher mißbraucht werde. Ich soll sozusagen die Schwalbe sein, die aber noch keinen Sommer macht. Ich allein kann die Breite nicht herstellen. Ich kann allenfalls andere darüber täuschen, daß sie hergestellt worden sei.
Als Resultat bleibt eine weitere Verengung des TeilnehmerInnenspektrums, die so niemand wollen kann.
Aber das liegt nicht an mir, sondern daran, daß man nicht versucht hat, das Komitee für Grundrechte und Demokratie und andere Gruppierungen mit einzubeziehen. Der ganze Streit um die Rednerinnen und Redner und um den Aufruf ist ja wirklich kontraproduktiv und schädlich. Man war offenbar nicht in der Lage der Demonstration ein eindeutiges Ziel zu geben. Was jetzt ansteht, sind Hafterleichterungen, darüber hinaus eine Amnestiedebatte und der Kampf gegen die verhängnisvollen Anti-Terrorismusgesetze.
Sie fühlen sich für die nun entstandene Situation nicht mitverantwortlich?
Nein. Aber ich fühle mich umso mehr mit vielen anderen zusammen verantwortlich, daß in Sachen Haftbedingungen mehr passiert.
Interview: Gerd Rosenkranz
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