Protest gegen öffentlich-rechten Rundfunk

■ Vertrag mit neuem, umstrittenem SFB-Intendanten am Dienstag klammheimlich unterzeichnet / SFB-Mitarbeiter über die Eile erstaunt / 300 Mitarbeiter gegen den „Seifenkisten-Fahrer“ Lojewski / SPD-internes Hickhack um die Kandidatenkür

Mit bemerkenswerter Eile ist bereits am Dienstag abend der Vertrag mit dem neuen SFB-Intendanten Günther von Lojewski unter Dach und Fach gebracht worden. Die Vertragsunterzeichnung, die erst gestern nachmittag überraschend bekannt wurde, ist im SFB mit Erstaunen zur Kenntnis genommen worden. „Wir wundern uns über die außerordentliche Hast“, kommentierte der SFB -Redakteursausschuß. Nicht zufällig sollte nämlich am selben Tag eine einstweilige Anordnung gegen das Wahlverfahren, das die beiden Rundfunkräte Weber und Gerhardt beantragten hatten, eingehen. Durch die Vertragsunterzeichnung ist das nun hinfällig geworden. Die Rundfunkratsvorsitzende Wiechatzek (CDU) bezeichnete gegenüber der taz den Terminablauf als „überhaupt nicht überraschend“. Der Vertrag mit Lojewski sei wesentlich günstiger für den Sender ausgefallen als der damalige Vertrag mit dem Ex-Intendanten Herrmann. Während seiner fünfjährigen Intendanz soll Lojewskis künftig 220.000 DM und damit 50.000 DM weniger als Herrmann im Jahr verdienen. Über die Pensionsregelung machte Frau Wiechatzek keine Angaben.

Von der eiligen Vertragsunterzeichnung aber haben die SFB -Mitarbeiter zunächst nicht erfahren. Als sie sich gestern nachmittag zur zweiten Protestversammlung gegen den neugewählten Intendanten von Lojewski im Großen Sendesaal des Hauses trafen, war von einem vollendeten Vertragsabschluß noch keine Rede. Rund 300 MitarbeiterInnen, vorwiegend aus dem redaktionellen Bereich, diskutierten stattdessen, wie der Amtsantritt Lojewskis verhindert und wie der SFB nun nach dem ständigen Intendantenfisako eine „faire Chance“ erhalten könne. „Der SFB ist keine Teststrecke für Seifenkistenfahrer, die sich in Formel 1 ausprobieren möchten“, so die Sprecherin des Redakteursausschusses, Barabara Wesel. Die RedakteurInnen hatten zu Lojewskis journalistischer Vergangenheit Rechercheamterial zusammengetragen, mit dem sie aufs Neue seine Parteilichkeit und rechtskonservative Denkungsart belegten. So war Lojewski u.a. „Vorsitzer“ der Deutschen Sängerschaft, dem Dachverband der schlagenden und nicht -schlagenden Verbindungen, und bemühte sich in dieser Funktion u.a. um die Toleranz gegenüber den Verfechtern der ersten Strophe des Deutschland-Liedes. Als „deprimierend“, so Wesel, hätten sich auch die Berichte von Kollegen des Bayerischen Rundfunk über die Zusammenarbeit mit Lojewski erwiesen. Schlichtungsgespräche hätten immer wieder auf der Tagesordnung gestanden. Durch nichts sei bewiesen, daß Lojewski ein Integrationsintendant für 1.400 Beschäftigte sein könne. Mit großer Mehrheit beschlossen die Versammelten sowohl an den Rundfunkrat, als einem der Verursacher des Intendantenschlamassels, wie auch an den neuen Intendanten selbst einen Offenen Brief zu schreiben. Lojewski wird darin erneut aufgefordert, das Intendantenamt nicht anzutreten. Das, so waren sich die Mitarbeiter einig, sei das Beste, was Lojewski für den SFB tun könne. Zustimmung fand auch der Vorschlag von SFB-Redakteur Robin Lautenbauch, „sich in verschärfter Form“ mit dem Rundfunkrat und der dortigen Filzokratie auseinanderzusetzen. Hartnäckigen Gerüchten zufolge sollen nämlich einige Rundfunkratsmitglieder, darunter der Vertreter des Journalistenverabndes, Grimming, und Frau Grützmann vom Landesfrauenbund, die sich besonders um Lojewskis Kandidatur bemüht haben, mit SFB-Posten versorgt werden.

SPD-Zerwürfnisse

Die Wahl Lojewskis zum SFB-Intendanten deutet auf heftige Zerwürfnisse innerhalb des Medienbereiches der SPD hin. Gisela Marx, Mitglied in der Medienkommission der SPD in Bonn, sieht den eigentlichen Skandal bei ihrer Partei und speziell bei dem sozialdemokratischen Intendanten-Kandidaten Dieter Huhn. Auf einer Veranstaltung zur Wahl Lojewskis am Dienstag abend, zu der mehrere Frauenverbände eingeladen hatten, behauptete sie, daß kurz vor der Wahl der aussichtsreichste Kandidat Günther Struve (SPD) in einem Gespräch mit dem Mitglied der Medienkommission Detlef Prinz und mit Huhn betont habe, daß er nicht gegen einen Parteigenossen kandidieren wolle. Da Struve laut Marx sichere 18 Stimmen im Rundfunkrat erhalten hätte, Huhn dagegen nur 11, solle Huhn seine Kandidatur zurückziehen. Das Argument, daß Struve mit dem Gehalt von 220.000 Mark nicht einverstanden gewesen wäre, sei erfunden. Auf taz -Nachfrage bestätigte Struve die Äußerungen von Marx: „Das Gehalt hat für mich gar keine Rolle gespielt. Schließlich sind 220.000 Mark auskömmlich.“ Letzteres wird sowohl von Alice Ströver vom AL-Medienbereich als auch von Prinz selbst bestritten. Wäre es um Parteienkonkurrenz gegangen und nicht ums Geld, hätte sich Struve an die Parteiverantwortlichen wenden können, so Ströver. Prinz bestritt auf Nachfrage überhaupt ein Treffen mit Struve: „Ich habe Herrn Struve seit anderthalb Jahren nicht mehr gesehen.“

Auf der Veranstaltung am Dienstag abend diskutierten etwa 60 Frauen, zumeist SFB-Mitarbeiterinnen über ein gemeinsames Vorgehen gegen Lojewski. Doch statt zukünfiger Strategien kam hauptsächlich Vergangenheitsbewältigung zur Sprache, vor allem die Tatsache, daß es ausgerechnet eine Frau im Rundfunkrat war, die Lojwski vorgeschlagen hatte.

bim/du