: „Wiederaufarbeitung ist Wiederaufarbeitung“
H. Krämer (SPD), RWE-Vorstandsmitglied, zur französischen Option in der Wiederaufarbeitung: „Ein Stein ins Wasser geworfen“ ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Krämer, seit wann war der RWE-Vorstand über die Verhandlungen zwischen der Veba und der französischen Cogema informiert?
Herbert Krämer: Die Veba hat uns fairerweise vor einigen Wochen über das Cogema-Angebot unterrichtet, sich an der Erweiterung der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague mit 49 Prozent zu beteiligen. Uns wurde auch mitgeteilt, daß die Veba großes Interesse daran hätte. Man hat aber nicht etwa erklärt, daß wir da mit ins Boot steigen könnten.
Wäre das RWE denn gern mit von der Partie gewesen?
Das muß ich klar verneinen. Wir hatten vorher keine Mitteilung, daß so etwas überhaupt möglich wäre. Wir standen voll hinter dem seit Jahren verfolgten politischen Konzept, in Wackersdorf wiederaufzuarbeiten.
Sollte nun in Frankreich wiederaufgearbeitet werden, wäre das ja nicht nur für die Veba-Tochter PreussenElektra, sondern auch für RWE und andere Atomkraftbetreiber hierzulande erheblich billiger. War die Veba-Ankündigung für den RWE-Vorstand eher erschreckend oder eher erfreulich?.
Weder noch. Wir haben das zunächst einmal als eine Tatsache hingenommen und mußten uns dann Gedanken darüber machen, was aus Wackersdorf und was aus unserer Wiederaufarbeitung wird. In der Tat ist es bemerkenswert und für alle Kernkraftwerk -Betreiber von Bedeutung, daß man im Ausland wesentlich billiger wiederaufarbeiten kann als bei uns. Das ist ein betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkt, der eine Rolle spielen kann, aber bei unseren Überlegungen nicht entscheidend ist.
Was ist entscheidend?
Entscheidend ist für uns nach wie vor die Vorgabe der Politik. Das ist unsere Maxime, und das haben wir eigentlich immer gesagt. Mittel- und langfristig muß die Politik die energiepolitischen Rahmenbedingungen setzen. Innerhalb dieses Rahmens muß man uns die Möglichkeiten geben zu investieren - und das so zu gestalten, daß sich diese Investitionen langfristig rentieren.
Sollte die Veba-Cogema-Ehe zustande kommen, bliebe für das RWE nur die Rolle des Juniorpartners. Fühlen Sie sich düpiert?
Nein. Nur muß man dazu sagen, wir alle zusammen - auch die Veba - sitzen im Boot der DWK. Dort sind wir alle Anteilseigner. Und wenn es denn so weitergehen sollte, muß die Veba irgendwann mit uns darüber reden, wie man diese DWK weiterführen will.
Welche Konsequenzen hätte ein Festhalten an Wackersdorf für die Strompreise?
Das ist sehr schwer zu sagen. Natürlich kann man argumentieren, daß die Wiederaufarbeitung in La Hague wirtschaftlich günstiger zu machen sein wird. Aber unmittelbare Auswirkungen auf die Strompreise sehe ich noch nicht. Da liegen Zeiträume von sechs bis zehn Jahren dazwischen. Bis dahin wird der Strompreis möglicherweise von ganz anderen Faktoren bestimmt. Deshalb ist das meines Erachtens eine unzulässige Spekulation, heute schon zu sagen, der Strompreis geht dann runter.
Veba-Chef Bennigsen-Foerder sagt, die Wiederaufarbeitungskosten liegen in La Hague um zwei Drittel unter denen in Wackersdorf. Da geht es um fünf, sieben oder mehr Milliarden. Das kann doch nicht ohne Auswirkungen bleiben.
Das ist die heutige Situation. Aber wer sagt uns denn, ob nicht die Grünen demnächst auch in Nordfrankreich bei La Hague Schwierigkeiten machen, so daß auch dort die Investitionssituation eine ganz andere sein wird. Da gibt es auch in Zukunft politische Unwägbarkeiten.
Kann es sein, daß die französische Option ins Spiel gebracht wurde, weil Wackersdorf immer teurer wird, und daß man den Politikern bedeuten wollte: Wenn ihr das trotzdem weiter wollt, dann müßt ihr dafür sorgen, daß das für die Stromproduzenten bezahlbar wird?
Ich kann nicht ausschließen, daß das eine Rolle gespielt hat. Im einzelnen kenne ich die Motive der Veba nicht. Sicherlich hat auch die Öffnung im europäischen Markt eine Rolle gespielt. Es ist ein Stein ins Wasser geworfen worden, und wir alle, auch die Politiker in Bonn und in den Ländern, müssen darüber nachdenken, wie es nun weitergehen soll.
Welche Konsequenzen hätte der Verzicht auf Wackersdorf auf den Schnellen Brüter in Kalkar?
Ich sehe da keinen unmittelbaren Zusammenhang. Wiederaufarbeitung ist Wiederaufarbeitung, ob wir die nun in Wackersdorf machen oder im benachbarten Ausland. Das spielt für die Plutoniumwirtschaft und den Schnellen Brüter keine Rolle.
Der politische Anspruch war immer, den gesamten Brennstoffkreislauf, inklusive Brüter und Wiederaufarbeitung, im eigenen Land zu haben.
Richtig. Man muß sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob es gut ist, diesen Pfad jetzt zu verlassen. RWE hat das für sich noch nicht endgültig entschieden.
Sollte Wackersdorf nicht gebaut werden, würde es dem RWE dann leichter fallen, auf den von Ihrer Partei - der SPD immer wieder vorgeschlagenen Weg der direkten Endlagerung ohne Wiederaufarbeitung umzuschwenken?
Das Konzept des RWE sah und sieht das nicht vor. Aber ich bin der Meinung, daß die neue Situation die Politik dazu zwingt - nicht das RWE als Unternehmen -, jetzt über alle Möglichkeiten der Entsorgung neu nachzudenken.
Das Gespräch führte Gerd Rosenkranz
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