: In Kino: Mississippi Burning
■ Wie du mir, so ich dir
Am Anfang war das Feuer. Begleitet von einem Gospel und den Wortbalken des Vorspanns brennt eine Kirche. Stück für Stück ergreifen die Flammen Besitz vom Holzhaus und zerstören es völlig. Die Dunkelheit der Nacht weicht dem grellen Schein. Es ist das Jahr 1964, der Brandanschlag geschah im amerikanischen Südstaat Mississippi.
Mississippi Burning ist ein treffender Titel für den neuen Film des Engländers Alan Parker. Eine Menge Häuser werden Opfer des Feuers, ausnahmslos bewohnt von Schwarzen. Sie sind das Hauptangriffsziel marodierender weißer Männerhorden, die mit kompromißloser Grausamkeit amerikanische Südstaatenideale durchsetzen wollen. Weiß sind diese Überzeugungen, protestantisch, anti-jüdisch, anti -kommunistisch, anti-liberal und brutal. Einem Huhn das Genick zu brechen sei schwieriger als einen schwarzen Menschen zu töten, sagt da jemand in seinem großkarierten Baumwollhemd, und niemand bezweifelt, daß alle so denken.
„Wenn Du nicht einmal besser bist, als ein Nigger, was zählst Du dann?“ Niggaaar heißt es im schwülen Mississippi-Dialekt und der es sagt, scheint einer dieser auf alt getrimmten Jeans-Werbungen entsprungen zu sein. Ein steingesichtiger Stiernacken mit rasiertem Seitenschädel und wettergebräuntem Gesicht. Roh, mit schweren, klobigen Bewegungen. Ein Klotzkopf. Ein grobschlächtiger Kerl. Ein Rassist, der auch mordet. Parkers Modellierung der Charaktere ist glaubwürdig. Sie allein kann ein Grund sein, ins Kino zu gehen.
Die Feuersbrunst zu Beginn wird durch ein anderes schreckliches Ereignis abgelöst. Ein Auto mit drei jungen Männern wird auf einer nächtlich fahlen Landstraße verfolgt. Gerade waren die Bügerrechtler aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden, nur die Beamten konnten also die Umstände wissen. Taschenlampen blenden in ängstliche Gesichter, als das Fahrzeug anhält, danach fallen Schüsse. Mississippi Burning ist ein Film der Angst vor der nächsten Szene. Es dominieren Lichtkompositionen mit scharfen Konturen, die allein eine ständige Bedrohlichkeit herstellen. Vielleicht nennen es andere Spannung.
Das Verschwinden der drei ruft die Hoover-Boys auf den Plan. Anderson (Gene Hackman) und Ward (Willem Dafoe) sind angetreten, im Aufrag des FBI Licht in das sprichwörtliche Dunkel zu bringen. Gar nicht so leicht bei einer Mauer von Schweigen. Die Opfer haben Angst und die Täter halten zusammen. „Du wirst einen Krieg anfangen“, wirft der zynisch -lakonische Anderson seinem Kollegen vor. „Hier war schon Krieg, bevor wir kamen“. Doch zwei kriegführende Parteien gibt es nicht im miefigen Kleinstadtnest. Es gibt nur Überfälle und Unterdrückung, Gegenwehr findet nicht statt.
Die Authentizität der Geschichte mag mit Recht angezweifelt werden, gewisse Haßgefühle, die stetig die Kinosessel umwehen, mit Sicherheit nicht. Das impertinente reaktionäre Geschwafel der blockheads und ihre dreisten Greueltaten treiben die Zornesröte ins Gesicht. Oder auch den Angstschweiß. Denn einige Szenen gehen an den Rand des Zumutbaren. Die sekundengenaue Beschreibung einer Kastration und grausam realitätsnahe Lynchbilder mögen zwar Ausdruck hohen filmischen Könnens sein, aber sie rücken Parkers Werk zuweilen in die Nähe der Unerträglichkeit.
Auch die britische Herkunft des Regisseurs kann nicht über eine ur-amerikanische Auflösung der who-dunnit -Geschichte hinwegtäuschen. Wenn legale Mittel nicht ausreichen, dem Übel beizukommen, müssen eben die Methoden des Übels selbst herhalten. Das Großreinemachen läuft nach dem Prinzip von Gewalt und Gegengewalt ab, wie du mir, so ich dir. Am Ende sind alle Mörder der endlich gerechten Justiz zugeführt und die muffige Kleinstadt rassistenfrei. Oder etwa doch nicht? Jürgen Franck
Stern 1, 14.30, 17.15, 20 Uhr
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