: Keine Festungsecke
Der Verein SO36 will ein neues „Wir-Gefühl“ gegen die Randale setzen ■ I N T E R V I E W
Michael Fröhling zur neuen Strategie des Verein SO36. Einem Mieterladen des Vereins in der Wienerstraße wurden schon Sonntag nacht die Scheiben eingeschmissen.
taz: Was sagt ihr zu den Ereignissen von gestern?
Fröhling: Unser Problem ist, daß wir zwei Jahre nach dem 1. Mai 1987 schon wieder gefragt werden, woran das alles liegt. Zwei Jahre lang haben die Politiker über die sozialen Probleme hier im Kiez mur geredet, aber keine Taten folgen lassen. Die Probleme sind eher größer geworden. Irgendwelche Gruppen aus dem autonomen oder sonstigen Spektrum nehmen diese Probleme dann zum Anlaß, Randale zu machen.
Ihr wollt einen „positiven Kiezmythos“ gegen den Randalemythos setzen. Was soll das denn heißen?
Daß man, zum Beispiel, mehr miteinander redet. Wir wollen diese Polarisierung und Militarisierung im Kiez verhindern. Es gibt ja heute schon Geschäftsleute, die dicht machen wollen, die eine Demo planen.
Ist das nicht wieder sehr sozialarbeiterisch gedacht, diese Idee des „Miteinanderredens“?
Das staatliche System kann diese Probleme nicht lösen, weder mit der hardware Polizei, noch mit der Software Sozialarbeit. Es kann nur im gesellschaftlichen Umfeld gelöst werden, über ein „Wir„-Gefühl. Man muß miteinanderreden und sich wehren gegen Leute, die das kaputt machen, was man aufbaut.
Wie wollt ihr das machen?
Durch Gegenöffentlichkeit zum Beispiel. Ich war immer dagegen, aber wir werden jetzt Rolläden vor unseren Fenstern einbauen müssen. Wir werden streiken, bestimmte Leute werden wir nicht mehr beraten.
Läuft das nicht auf eine Ausgrenzung hinaus?
Ich will die Leute nicht ausgrenzen, ich will aber bestimmte Methoden unmöglich machen. Ich akzeptiere auch einen Junkie oder Alki als Menschen, akzeptiere es aber nicht, wenn er so zu ist, daß er mir eine in die Fresse haut.
Bist du auch dafür, das Lauseplatz-Fest im nächsten Jahr abzusagen?
Ja. So ein Fest ist überholt. Man kann es künftig in anderer Form machen, nicht mehr in einer Festungsecke, wie sie der Lausitzer Platz darstellt. Die Leute kennen da jede Ecke, können sehr schnell angreifen und wieder verschwinden. Mit ein paar Barrikaden hast du den Platz dicht und wenn die Polizei die eine Ecke geräumt hat, ist die Barrikade an der anderen Ecke, ein Katz- und Mausspiel.
Interview: hmt
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