Kieler SPD-Regierung - „Schad nix, nützt nix?“

Vor knapp einem Jahr befreite sich das schleswig-holsteinische Wahlvolk von der CDU-Herrschaft / Außer atmosphärischen Verbesserungen kaum reale Veränderungen / Der versprochene Atomausstieg läßt auf sich warten / Sozialdemokraten haben mit finanziellen Altlasten und Beamtenapparat zu kämpfen  ■  Von Petra Bornhöft

Kiel (taz) - Schweiß perlt ihm über die Stirn, dick treten die Adern im geröteten Gesicht hervor. „Maßlos geärgert“ hat sich Schleswig-Holsteins Energieminister Günther Jansen über den Einladungstext für die Veranstaltung, zu der 350 Menschen in den Chemie-Hörsaal der Kieler Uni gekommen sind. „Atomausstieg in Schleswig-Holstein - nur ein Wahlversprechen?“ mutmaßen in dem tausendfach verteilten Flugblatt Bund, Uni-Asta, Anti-AKW-Bewegung und der Verein „Eltern für unbelastete Nahrung“. Auf dem Podium sitzt Sozialdemokrat Jansen nur, weil „ich mich in der SPD noch mit ganz anderen Diffamierungen hab auseinandersetzen müssen und weil ich hoffe, daß die Zusammenarbeit mit euch möglich bleibt“. Den Ausstiegswillen läßt der Parteilinke sich ungern absprechen. Verbissen leiert die 2,9-Prozent -Randgruppe der Grünen ihre Gebetsmühle. Neu hingegen ist die deutliche Enttäuschung vieler WählerInnen aus dem rot -grünen Spektrum über das generelle Schneckentempo des Kabinetts Björn Engholm. Die Landesregierung hat es geschafft, alle spontanen Hoffnungen - ebenso wie tiefsitzende Ängste - vor rascher Veränderung im Norden zu beseitigen.

Vom Matrosenaufstand

zur Bügelfalte

Am Wahlabend des 8.Mai 1988 hatte Engholm eine Linie vom Kieler Matrosenaufstand zum Wahlsieg der SPD gezogen und eine visionäre Aufbruchstimmung nicht nur zwischen den Deichen verbreitet. Zu Beginn des Jahres Zwei nach der Befreiung ist Schleswig-Holstein politisch wieder so bedeutungslos wie vor der Barschel-Affäre. Der 'Süddeutschen Zeitung‘ ist das Land so fremd geworden, daß sie die Minister kurzerhand in „Senatoren“ umdefiniert. Marginales moniert auch ein frommer Kleingeist in der 'FAZ‘. Seitenweise schwadroniert der 'Spiegel‘ über Engholms Vorliebe für spontane Schuhkäufe und Bügelfalten. Es bewegt sich eben nichts im Land der Dieselloks und Bauernhöfe. Wirtschaftlich gut geht's vor allem den Kieler Howaldtswerken (HDW). Bei Stoltenbergs Wechsel auf die Hardthöhe mahnte Engholm, der Verteidigungsminister könne jetzt „eine ganze Menge für Schleswig-Holstein tun, vor allem über Aufträge der Marine für die Werften“. Trotz der täglich demonstrierten Industrie- und Mittelstandsfreundlichkeit der Regierung liegt die Arbeitslosenquote bei knapp elf Prozent. An der Küste stempelt fast jede(r) Fünfte. Unvermindert hält das Bauernsterben an.

Nicht ein einziges bahnbrechendes Gesetz hat den Landtag passiert. Von dem kommunalen Ausländerwahlrecht profitieren drei Iren und zwei Schweizer in Husum. Landesweit etwa drei Viertel aller AusländerInnen dürfen nicht wählen, weil in ihren Herkunftsländern den Deutschen dieses Recht vorenthalten ist.

Gemach, spricht Gert Börnsen, Fraktionschef der 55 -Prozentpartei, „wir machen keine Politik an den Menschen vorbei“. Der Stammtisch grüßt. Es werde „beispiellos“, „enorm“, „handfest“ und „gleichzeitig an zehn bis fünfzehn Weichenstellungen für radikale Änderungen gearbeitet. Ab Herbst werden wir pro Landtagsdebatte zwei bis drei Gesetzesinitiativen einbringen. Wir werden alle Versprechen realisieren.“ Wenige Stunden nach diesem Gespräch demonstrierten 150 Studenten aus Flensburg vor dem Kieler Kultusministerium: Zufällig hatte der Rektor erfahren, daß der auch von der SPD-Regierung zugesagte Bau einer Bibliothek plötzlich gestoppt wurde.

Verantwortlich für die Flaute zwischen den Meeren ist nicht nur die prinzipielle Schwerfälligkeit staatstragender Sozialdemokraten. Konkret müht sich die Partei mit den administrativen und finanziellen Altlasten von fast vier Jahrzehnten CDU-Bürokratie - 17 Milliarden Mark Schulden hinterließen die Konservativen - sowie mangelnder (institutioneller) Kompetenz einzelner Kabinettsmitglieder. Anhaltende Lähmung der ohnehin schwachen, außerparlamentarischen Opposition macht sich mittlerweile gravierend bemerkbar.

„Ohne öffentlichen

Druck kein Atomausstieg“

Verzweifelt appellierte Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt in der Podiumsdiskussion mit Jansen vergangene Woche an die ZuhörerInnen: „Starrt nicht auf den Minister. An ihm hängt der Atomausstieg nicht. Ihr müßt wieder zu handelnden Personen werden. Ohne öffentlichen Druck besteht in Schleswig-Holstein genausowenig eine Chance für den Ausstieg wie anderswo. Nirgends läuft so wenig wie hier oben.“ Der Beifall gab Sailer recht. Gleichwohl erstickten die Anwesenden in Selbstmitleid ob der „toten Anti-AKW -Bewegung und unserer Fixiertheit auf den Minister“. Dieser meisterte schwitzend aber souverän die Situation.

Von schlichten Gemütern geforderte Stillegungsbescheide für die drei nordischen AKWs würden „umgehend von den Gerichten kassiert“, beschied Jansen und skizzierte dann sein Ausstiegskonzept. Der erforderliche Nachweis einer „erheblichen Gefährdung“ müsse durch anlagenbezogene Sicherheitsüberprüfungen erbracht werden. Das werde bis 1990 erfolgen. Daran schließe sich die „juristische Reflexion“ an. Ende Juni sei mit einem Gutachten über das ungelöste Problem der Entsorgung von Atommüll zu rechnen. Zweifellos einfacher zu bewerkstelligen sei der Ausstieg über eine Änderung der Bundesgesetze, „wenn wir bundesweit eine rot -grüne Mehrheit hätten. Dann wären wir in zehn Jahren raus aus der Atomenergie“. Angetreten war der Ministerkandidat im Wahlkampf mit dem unrealistischen Versprechen, binnen eines Jahres die Atommeiler auszuknipsen.

Fachleute haben der Landesregierung jene Schritte zum Ausstieg lange vor ihrem Amtsantritt markiert. Doch erst seit wenigen Wochen arbeitet die „Ausstiegskommission“. Mit Blick auf die wütende (Atom-)Wirtschaft hatte Engholm gebremst. Zugleich wurschtelte Jansen nach Auskunft von Insidern „dilettantisch und ohne Behördenkenntnis“ herum, leerte erfolglos den Prozeßkostentopf um 200.000 Mark.

Für Kenner dauerte die Einstellung von qualifizierten Atomkritikern unerwartet. Längst nicht alle Atomkraft -Fetischisten sind ins Umweltministerium versetzt worden. Eine Schlüsselposition in der Genehmigungsabteilung hat zum Beispiel der Ministerialrat Dr.Schattke behalten. Der Atomjurist ist berühmt: Im Mai 1988 verlieh ihm die bundesdeutsche Atomgemeinde während ihrer „Jahrestagung Kerntechnik“ den ersten Preis für seinen Vortrag „Rechtliche Grenzen des Ausstiegs aus der Kernenergienutzung“. Entsprechende Positionen vertritt Schattke bis heute als Prozeßvertreter des Landes in den zum Teil seit Jahren laufenden Prozessen. Im Verfahren gegen den Betrieb des AKW Brokdorf ließ Minister Jansen Schattke wie gewohnt fuhrwerken und die Klageabweisung beantragen. Der Minister mochte sich selbst nicht verkneifen, öffentlich gegen den Kläger zu polemisieren, ohne auf dessen Gesprächsangebote einzugehen. Verbitterte Reaktionen waren die Folge. Erstmals in der vergangenen Woche, konfrontiert mit frustierten AKW -GegnerInnen, signalisierte Jansen Gesprächsbereitschaft.

Auf der gleichen Veranstaltung trennten sich die „Ministerialbewegung“ und Anti-AKW-Bewegung weitgehend einvernehmlich. Beide Seiten versprachen „mehr zu tun“. Günther - in dem Familienbetrieb Schleswig-Holstein duzt die „Bewegung“ schon mal den Minister - wird seinen „juristischen und technischen Weg“ gehen, die „Bewegung“ gelobte, sich und andere zu mobilisieren. Doch als der Amtmann vorzeitig abrauschte, leerte sich blitzartig der Saal.

Still und bescheiden

wühlt die Frauenministerin

Während der Energieminister wegen seines losen Mundwerks manchmal für Schlagzeilen sorgt, bleibt die neue Rubrik „Frauen“ im Landespressespiegel meist leer. Erstaunlich, gilt Gisela Böhrk doch als die einzige ernst zu nehmende Frauenministerin der Republik: Erstmals gewährte eine Regierung der Frauenministerin ein Veto- und Initiativrecht im Kabinett und verschonte sie mit zusätzlichen Ressorts. Seither mühen sich 17 Frauen und ein EDV-Mann, dem Rest der etwa 24.000 Beschäftigten im Landesdienst und der Öffentlichkeit Frauengedanken näher zu bringen. Keine leichte Aufgabe, für die im 13-Milliarden-Haushalt drei Millionen Mark bewilligt wurden. Trotzdem - Gisela Böhrk macht die Arbeit „enorm Spaß“.

Die „entscheidende Innovation“, resümiert die 43jährige, bestehe darin, „daß es uns zunehmend gelingt, alle Ressorts mit Frauenpolitik zu befassen“. Beteiligt an allen Kabinettsentscheidungen und „umfangreichen Abstimmungsprozessen in der Verwaltung“ erübrige sich der Gebrauch des Vetorechts. Ein Recht, das nach Meinung von Böhrk ohnehin „nur solange eine scharfe Waffe ist, wie sie nicht benutzt werden muß“. Kompromisse hält Böhrk für normal, auch wenn sie schmerzen, wie etwa die Niederlage bei der Besetzung von hohen Gerichtsposten.

Eine Richtlinie zur Gleichstellung der Frauen bei den obersten Landesbehörden soll vor der Sommerpause vom Kabinett verabschiedet werden. Für das nachfolgende Gesetz „brauchen wir bestimmt zwei Jahre, weil mit viel Widerstand von den Kommunen und Kreisen zu rechnen ist“. Die Richtlinie soll „greifen, wenn Frauen in einer Lohn- oder Gehaltsgruppe weniger als 50 Prozent bilden. Bei gleicher oder gleichwertiger Qualifikation sollen sie dann bei Einstellungen und Beförderungen bevorzugt werden“. Details möchte die Ministerin nicht verraten, da die Richtlinie „noch im Abstimmungsverfahren begriffen ist“.

Mit der Förderung „innovativer, regional bedeutsamer Projekte“ hält sich das Frauenministerium keineswegs aus Geldmangel zurück. Gisela Böhrk will keine „kurzfristigen frauenpolitischen Glanzlichter“ produzieren, sondern „verläßliche, finanzielle Strukturen gesetzlich schaffen“. So hat sie etwa die hundertprozentige Landesförderung für zwei Mädchentreffs gekürzt, „um die Kommunen mit ins Boot zu kriegen. Die müssen lernen, daß Frauenpolitik nicht zum Nulltarif zu bekommen ist“. Auch wenn es für die Frauen vor Ort „oft bitter ist“.

Der größte Flop

-die Umweltpolitik

In der Tat, die Frauen vor Ort - so sie überhaupt etwas von der neuen Behörde erwartet haben - murren. Im Kieler Frauenprojekte-Haus, einem Domizil für Netzwerk-, Beratungs -, Schul- und Sportgruppen, schimpft frau nicht schlecht. Zwar akzeptieren Feministinnen die auf Strukturveränderung orientierte Politik des Ministeriums. Aber es sei blauäugig, mit einem Winzetat und 18 Personen binnen einer Legislaturperiode Jahrhundertstrukturen knacken zu wollen. „Für uns hat sich nichts geändert. Wir ersticken in den Förderanträgen an diverse Ministerien. Dort müssen wir zwar nicht mehr soviel Überzeugungsarbeit leisten, Geld kriegen wir aber trotzdem nicht“, so die Bilanz. Leicht irritiert über die Kritik der Feministinnen fordert die Ministerin alle Frauen auf, „Druck zu machen, und Themen so nach oben zu bringen, daß niemand mehr dran vorbei kann. Das braucht Zeit.“ Und kostet jede Menge ehrenamtliches Engagement.

Engagement und Sachverstand werden Umweltminister Bernd Heydemann landesweit bescheinigt. Eloquent demonstriert der parteilose Professor beides, wenn er während einer Ozondebatte im Landtag der CDU „die unterschiedliche Wirkung von FCKWs und C02“ erklärt.

Doch das nächste Robbensterben kommt bestimmt. Nord- und Ostsee dürften in Kürze mausetot sein, trotz der Phosphatelimierung in der dritten Reinigungsstufe bei den Klärwerken. Gelassen sehen die Bauern der neuen Gülleverordnung aus Umwelt- und Landwirtschaftsministerium entgegen, auch wenn CDU und Bauernverband weit mehr schadstoffhaltige Hühnerkacke, Kuhscheiße und Schweineurin auf die Felder bringen lassen wollen, als von der SPD vorgeschlagen. Vergnügt frönen die Freizeitknaller und Jägerverbände im Wattenmeer ihrem Mordsspaß. Auch die Bundeswehr ist mit von der Partie und will ihren „Krieg im Wattenmeer“ sogar in den 90ern verschärfen. Eine vom Parlament geforderte Initiative der Landesregierung gegen den Tiefflugterror hat beim sozialistischen Gang schlappgemacht. In Sachen Tierschutz erspähte der Deutsche Tierschutzbund eine Veränderung in Schleswig-Holstein: Dieser Aufgabenbereich ist vom Landwirtschafts- in das Umweltministerium verlagert. Böse Worte zum Küstenschutz wählt der World Wildlife Fund (WWF): „Entscheidungsprobleme und Wortbruch.“ An Stelle der zugesagten Deichverstärkung habe der Landwirtschaftsminister sich für die naturraubende Vordeichung im Wattenmeer ausgesprochen.

Die großen Umwelt- und Naturschutzorganisationen werden ungeduldig. Insbesondere der Bund kritisiert die „fehlende Einbeziehung des Sachverstandes der Umweltverbände. Umweltschädliche Bauvorhaben der alten Landesregierung werden fortgeführt. Eine konsequent umweltfreundliche Linie ist noch nicht erkennbar.“ Das betrifft vor allem Heydemanns Nullreaktion auf die Ausweitung der Mülltransporte zur DDR -Giftkippe in Schönberg. Obgleich es unter Kieler Sozialdemokraten laut Fraktionschef Gert Börnsen „unstrittig ist, daß die Deponie Schönberg Lübecks Grund- und Trinkwasser gefährdet“, hat die Landesregierung diese Einsicht den Mülltourismuschefs aus den Bundesländern nicht mitgeteilt. Kein Wunder, daß jetzt nicht 190, sondern täglich 240 LKWs beladen mit gefährlicher Fracht über die Grenze rollen. Hamburgs Sozis überraschten gar die Kieler Schnarchlappen mit einem neuen Vertrag. Ab 1990 wird die Hansestadt weitere 700.000 Tonnen Hausmüll und Klärschlamm nach Schönberg verfrachten. Zunächst tagelang sprachlos, brummeln Kieler Pfeifenraucher jetzt, Hamburg habe „das Kriegsbeil ausgegraben“.

Minister Heydemann hüllt sich in Schweigen. Was sollte er auch sagen, haben doch seine Beamten beim Treffen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall Ende 1988 vehement vertreten, die Sicherheit der Deponie Schönberg sei bis zu tausend Jahre gewährleistet. Frei Haus lieferte das Umweltministerium - bei „abweichender Meinung des Ministers“ - den Gerichten Material für die Abweisung der 400.Beschwerde Lübecks gegen die Transportgenehmigungen.

Der öffentliche Wind

dreht sich

Konnte sich die Landesregierung zunächst einer wohlwollend zurückhaltenden Regionalpresse erfreuen, so schreiben sich neuerdings „irritierte“ Journalisten im Norden ihren Unmut von der Seele. Besonders an der Kultusministerin Eva Rühmkorf lassen sie kein gutes Haar. Die Zeit des Verständnisses für deren extreme Schwierigkeiten mit dem oberreaktionären Beamtenapparat ist vorbei. Jüngstes Beispiel aus den amtlichen Schützengräben: Anläßlich einer Veranstaltung wurde der Ministerin eine Originalrede ihres CDU-Vorgängers mit auf den Weg gegeben. In letzter Sekunde, so wird kolportiert, habe Rühmkorf die drohende Blamage bemerkt. Von Bergedorf bis Flensburg attestieren die Journalisten der Kulturministerin ein Höchstmaß an „Ungeschick“, „Arroganz“ und „Tolpatschigkeit“ gepaart mit einer „Vorliebe für Fettnäpfchen“.

Nach dem Ende der mangels sozialdemokratischem Tatendrang eingeschlafenen Gesamtschuldebatte legte sich Rühmkorf Ende April mit dem Vorentwurf für ein Schulgesetz auf die Nase. Eine Mischung aus Flachsinn und Widersprüchen präsentierte die permanent konfus wirkende Ministerin. Da ist die Rede von der autonomen, selbstbestimmten, sozialen und demokratischen Schule. Nach Details befragt zog Rühmkorf ratlos die Schultern hoch. Sie wußte nicht, was die angestrebte Lehrmittelfreiheit die Kommunen kosten wird. Die zehnjährige Schulpflicht soll eingeführt, der Besuch des 10.Hauptschuljahres jedoch freiwillig sein. Genüßlich fielen die konservativen Lehrerverbände über das unausgereifte Werk her.

Schon wird über eine Kabinettsumbildung gemunkelt, auch Wirtschaftsminister Froschmaier gilt nicht als Aktivposten der Regierung. Leider war es der taz nicht möglich, den Ministerpräsidenten zu dieser Schicksalsfrage für einzelne auszuhorchen. In Verkennung des anbrechenden rot-grünen Jahrzehnts, aber erwartungsgemäß - die Landespressekonferenz protestierte kürzlich gegen den neuen Stil, nur ausgewählten Journalisten eine Audienz zu gewähren - beschied die Staatskanzlei: In der zweiten Aprilhälfte habe der Ministerpräsident keine Zeit für ein taz-Gespräch, im Mai müsse man neu verhandeln. Schade, zu gern hätte die taz unmittelbar erfahren, warum die Diäten der Landtagsabgeordneten auf 7.000 Mark erhöht werden und vor allem, warum der Ministerpräsident per anno 32.000 Mark mehr als sein Vorgänger Uwe Barschel kassiert (insgesamt 240.000 Mark). Finanzministerium und Regierungspressestelle stammelten Wirres zur Erklärung der Gehaltsdifferenz. Schließlich war medienwirksam verbreitet worden, das Kabinett habe seine Gehälter um 300 Mark monatlich gekürzt. Daß Engholm, auf Platz sechs der Politiker-Sympathie-Skala, sein Geld für eine Bewerbung als Dressman braucht, halte ich für eine gemeine, unpolitische Unterstellung. Glaubwürdiger ein Argument im Flurfunk des Kieler Landeshauses: „Engholm ist um Klassen besser als Barschel, das muß honoriert werden.“ Schließlich hat er auch gemeinsam mit den vier Ministerinnen privat 1.000 Mark für die Opfer des Memminger Hexenprozesses gespendet.