: Die DKP will die SDAJ auf Linie trimmen
Es knistert zwischen Jugendverband und Mutterpartei: Die SDAJ will Unabhängigkeit / Gefährlicher Einfluß von Gorbatschows Perestroika / Kampf zweier Linien läuft auf mögliche Spaltung zu: Die Hardliner wollen mit DKP-Hilfe die Reformer kippen ■ Von Jan Feddersen
Hamburg (taz) - Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) will die in letzter Zeit rege und diskussionsfreudige Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) wieder auf Linie trimmen. Denn „unser Jungendverband“, wie Ellen Weber, zweite Vorsitzende der DKP, auf einer DKP-Präsidiumssitzung sagte, drohe aus dem unmittelbaren Einflußbereich der „Partei der Arbeiterklasse“ abzudriften.
Bis vor kurzem war die Welt der SDAJ noch in Ordnung, gemeinsam schritten sie und die DKP Seit‘ an Seit‘. Doch dann machten sich die Zersetzungserscheinungen der Perestroika bemerkbar. Der SDAJ-Bundesvorstand verordnete sich und seinen Mitgliedern (nach VS-Schätzung 15.000, nach Angaben der Traditionalistengruppe um Patrick Köbele 6.000) eine Autonomie der Gliederungen, Meinungspluralismus, Feminisierung der Strukturen sowie - das klang schrill in den Ohren der DKP-Zentrale - politische und organisatorische Unabhängigkeit von der DKP.
Der Bezug der SDAJ-Politik auf ArbeiterInnenbewegung, so heißt es darüber hinaus in einem Papier von SDAJ -Modernisierern, sei ein „Gemeinplatz„; der von den Traditionalisten geliebte Terminus „Arbeiterjugend“ böte heute keinen „wirklichen Identifikationspunkt“ mehr.
Immer mehr SDAJ-Mitglieder verbitten sich jegliche Einmischung der DKP in ihre Organisationsangelegenheiten. Bis vor gut einem Jahr war es noch schöner Brauch, alle Funktionärsposten vor jeder verbandsinternen Diskussion mit der DKP-Zentrale abzustimmen. Jetzt ist es im Vorfeld des SDAJ-Bundeskongresses (am 17./18.Juni in Dortmund) zum offenen Konflikt gekommen. Einige SDAJ-Bundesvorständler, unter anderem der DKP-intern als Kronprinz gehandelte Patrick Köbele aus Baden-Württemberg, behaupteten, daß sich „zwei Grundkonzeptionen“ gegenüberstünden, „die sich gegenseitig ausschließen“. Sie wollen einen nach Auffassung vieler SDAJ-Mitglieder nur durch Glaubensinhalte ausgewiesenen „revolutionären, sozialistischen Arbeiterjugendverband“. In den Worten von Ellen Weber: „Die SDAJ muß ein Jugendverband für die Kinder der kleinen Leute sein.“
Die Traditionalisten in der SDAJ riefen schon im September letzten Jahres in einer Geheimdepesche die DKP-Führung in Düsseldorf um Hilfe. Sie beklagten, in der SDAJ keine Mehrheiten mehr zu bekommen und jetzt nicht zu wissen, wie sie ihren „Parteiauftrag als junge Kommunisten in der SDAJ“ erfüllen sollten.
Hardliner wie Heinz Czymek, Beate Landefeld, Heinz Stehr oder Willi Gerns hörten die Rufe gern. Auch Parteichef Herbert Mies, der im Januar auf dem DKP-Parteitag in Frankfurt trotz 150 Gegenstimmen wiedergewählt wurde, liebt eher die klaren, traditionellen Verhältnisse. Er fürchtet jedoch, daß das Wegbrechen der kritischen Elemente in der SDAJ (und in der DKP) der Partei nicht nur auf Jahre den Zugang zur Jugend verbaut, sondern auch seine eigene Position als Parteichef untergräbt, politische Erfolge verhindert. Der Parteichef , dessen Herz auch nach Meinung vieler DKP-Parteierneuerer für eine unabhängige Jugendpolitik (wenn auch an der langen Leine) schlägt, hat viele SDAJ-Experimente gegen die Hardliner in der Partei unterstützt.
In einem Brief vom 6.April dieses Jahres hat sich Mies nun inhaltlich auf die Seite der SDAJ-Traditionalisten gestellt. Er glaubt nun auch, daß beide Flügel nicht mehr zueinander finden können, obwohl er die Nichteinmischung seiner Partei in Angelegenheiten der SDAJ betont. Während Mies allerdings bemüht scheint, eine gutväterliche Klärung des Konflikts zu erzielen, haben die SDAJ-Traditionalisten um Patrick Köbele die Situation innerhalb des Jugendverbandes angespitzt. Sein baden-württembergischer als auch der fränkisch -oberpfälzische Landesverband haben die Zahlung der Mitgliedsbeiträge an die Dortmunder Zentrale bis auf weiteres storniert. In einem Papier von Hans-Georg Eberhard, Birte Wichmann und Alex Merseburg (alle drei Mitglieder der SDAJ-Geschäftsführung) heißt es, daß damit „die Minderheit im Bundesvorstand den Fakt der Spaltung der SDAJ geschaffen“ habe.
Eine Situation, die der DKP demnächst auch bevorstehen könnte. Aus Kreisen der SDAJ-Modernisierer ist zu hören, daß die Spaltung ihres Verbandes durch DKP-Hardliner wahrscheinlich sei, wenn diese auf der Dortmunder Jahresversammlung keine Mehrheit bekommen sollten: „Hier soll geübt werden, wie auch innerhalb der DKP mit den Erneuerern umgesprungen werden kann.“
Ob diese Strategie allerdings aufgeht, ist vorerst offen. Etliche DKP-Perestroiker berieten auf Strömungstreffen eine Erneuerung kommunistischer Politik. Solche Versuche werden inzwischen vom Parteivorstand scharf geahndet. In Nordrhein -Westfalen sind die Erneuerer via 'UZ‘ letzten Mittwoch abgemahnt worden.
Bis zur SDAJ-Bundeskonferenz im Juni sollen die Mehrheitsverhältnisse gegen die Modernisierer gekippt werden. Aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurde bekannt, daß DKP-Mitglieder, die nominell auch der SDAJ angehören, zu Versammlungen mobilisiert werden, um renitente Vorstände abzuwählen.
Letzter Akt der DKP-Einmischung: Auf Intervention der Düsseldorfer Parteizentrale verweigerte in der letzten Woche die DKP-eigene „Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH“ den Abdruck eines Bildes im SDAJ-Magazin 'Elan‘. Das inkriminierte Bild illustrierte einen Artikel zu Verhütungsmitteln. Gezeigt wurde eine Lenin-Büste, der ein Präser übergestülpt war.
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