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"Lidice zeigt, wozu Menschen fähig sind"

■ Mahnmal allerdings gegen die Verbrechen der Deutschen unter dem Nationalsozialismus in den Wallanlagen eingeweiht / "Lidice" steht neben dem Helden-Jüngling, dem Kunstwerk der Nazizeit

Ein kleiner, pechschwarz verkohlter Mauerrest, sinnlos herausragende und krumm geschmolzene Eisen-Drähte, ein paar herumliegende Steine, ein steil nach oben ragender verkohlter Balken, ein ebenso verkohlter Querbalken - so steht es seit gestern in den Bremer Wallanlagen: „Lidice“. Zwei der Steine

sind aus dem tschecheslowakischen Ort hergebracht, das Kunstwerk, das Jürgen Waller geschaffen hat, erinnert an die Vernichtung des Ortes und seiner Bewohner durch die Deutschen - am 10. Juni 1942.

„Lidice“ bedeutet Zerstörung, nichts als Zerstörung, die beiden schwarzen Balken bilden sind ein

in den Boden gerammtes Kreuz, Tod. In einer Gedenkstunde wurde das „Lidice„-Mahnmal gestern eingeweiht - es steht in den Wallanlagen direkt neben einem anderen: „Jüngling“, aus Bronze gegossen. Das Zusammentreffen ist gewollt. Der „Jüngling“ wurde 1936 aufgestellt, stolz, griechisch unbedeckt. Herbert Kubika, damals Lehrer an der Bremer Kunstschule wie Jürgen Waller heute, hat seine Heldenplastik unter dem Regime der Nazis hergestellt, sie soll an die Gefallenen der Division Gerstenburg und des Freicorps Caspari erinnern, die an der Niederschlagung der Bremer Räterepublik beteiligt waren. Die Kubika-Plastik wurde in der Bremer Kunsthalle vor den Folgen des von den Nazis angezettelten Weltkrieges geschützt, seit 1955 steht der

Held wieder öffentlich da - 35 Jahre ohne Kommentar, ohne Inschrift, für sich sprechend. Nun ist der deutsche Jüngling konfrontiert mit dem Sinnbild der Zerstörung.

Über 100 Menschen..

unter ihnen eine tschechische Delegation und ein Bürger der Sowjetunion, der Bremern aus seiner Zeit als Zwangsarbeiter kennt und ein diplomatischer Vertreter der Tschecheslowakei waren am Mittag Sonntag in die Wallanlagen gekommen. Bürgermeister Wedemeier erinnerte in seiner Ansprache an das Grauen, das den Namen Lidice bekannt gemacht hat. Nach einem Attentat auf den SD-Führer und stellvertretenden Chef der Gestapo, He

ydrich, hatte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Prag am 12. Juni 1942 den Befehl gegeben, aus Rache die Ortschaft zu vernichten. „Alle männlichen Personen sind zu erschießen, alle Frauen sind in ein Konzentrationslager zu überstellen, die Kinder sind zu sammeln, soweit eindeutschungsfähig, an SS-Familien ins Reich zu geben. Der Rest wird einer anderen Erziehung zu geführt, die Ortschaft niederzubrennen ...“

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