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WECHSELBÄDER

■ Die „Phrasenmäher“ grasen im „Cafe Schalotte“

Da haben wir's also: „Rote Gesinnung und schwarze Zahlen müssen sich nicht ausschließen“, tönt der Pseudoreferent von Kultursenatorin Martiny und hebt zur Preisverleihung des Senats an die auftretende Kleinkünstlergruppe an. Ein Teil ihres Programms ist gedroschener bis feingemahlener Phrasenmist; für den Rest hätten sie den Preis, der so unecht ist wie der Referent, sogar verdient.

Unter dem Motto „Der Volvo im Schafspelz“ agieren eine Frau, zwei Männer und zwei Musiker, die gute Musik zum bösen Spiel machen. Über den Anfang, bei dem sie in guter Mackie -Messer-Manier das Lied von den „Linkspiraten“ zum gehißten rot-grünen Totenkopf singen, dürfen wir uns nur kurz freuen: Es folgt zunächst eine langatmig gehaltene Rede über alles oder nichts, über Roger Whittaker und die Tiefflugquotierung. Weil es eben reingehört ins Kabarett, wird der tumbe suggestive Politiker-Redestil zu lang ausgedehnt, und es bleibt fraglich, wohin es führt, wenn „in Amerika immer der Dollar fällt, aber bei der CDU nie der Groschen“. Obwohl sie im Laufe des Abends oft genug beweisen, daß sie sich diese dummen Sprüche sparen könnten, gehen die drei immer wieder auf die Jagd nach eintagsfliegenden Lachern.

Erfrischend hingegen wird das Programm immer dann, wenn sie szenisch spielen: Da kriegt das schweigende Publikum bei einer Pressekonferenz der „Republikaner“ plötzlich die Rolle der JournalistInnen aufgebrummt, denen erklärt wird, daß Kriminalität ein Verbrechen sei; und eine herzerweichende Geschichte vom Aufstieg und Niedergang des feministischen Hausgeräteverleihs „Elektra“ enthüllt Anspruch und Wirklichkeit eines Frauenkollektivs. Unnachahmlich trocken erläutert ein Hamburger Hafenpenner akribisch, daß ja nur zwei von 150.000 Arbeitslosen wirklich arbeitslos seien. Eine besonders ekelhafte Delikatesse gibt es anschließend für HundehasserInnen und alle, die es werden wollen: Von einer imaginären Großkundgebung der „außerparlamentarischen Opposition“ auf dem Ku'damm, darunter 100.000 Hunde, berichtet der fassungslose Reporter vor Ort. Unter dem Motto „5 vor 12“ hätten um ebendiese Zeit die anwesenden Vierbeiner den gesamten Ku'damm innerhalb von Sekunden in einen beschissenen Morast verwandelt. Eine befragte Sympathisantin erklärt, es gehe um die dringende Konferenz „Der Freiheit eine Gassi!“ So wird Realität auf den Punkt gebracht: Knapp daneben, mitten rein.

Christian Vandersee

Die „Phrasenmäher“ treten noch bis zum 27.Mai, nur Mittwochs bis Samstags, im Cafe Schalotte auf. Beginn: 20 Uhr.

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