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Der „Saustall“ der neuen Rechten

Nicht nur in Berlin wächst bei den „Republikanern“ die Kritik in den eigenen Reihen: Ämterpratonage, Postenschieberei und Korruption statt „Ehrlichkeit, Sauberkeit und Ordnung“ / Üble Machenschaften und vereinzelte Übertritte zur CDU vereiteln den von Schönhuber verordneten „kämpferischen Auftakt zu den Europa-Wahlen“  ■  Von Willi Münzenburger

Für kommenende Randalen a la Kreuzberg hat REP-Chef Schönhuber schon das K.O.-Konzept parat: „Verständnis müßte man dafür haben, wenn ein Polizist in höchster Not zur Pistole greife.“ Die Drohungen des Pisteleros aus München, der sich bei seinen Besuchen in Berlin gern im eigens angemieten Panzer-Mercedes durch die Stadt fahren läßt (Tagespreis 800 Mark) haben Gewicht, schließlich haben sich den Rechtsradikalen bundesweit einige Tausend Polizisten angeschlossen. Aber zunächst muß sich Schönhuber um den „Saustall“ (so ein Mitglied) in seiner Berliner Partei kümmern. Eigentlich hatte der Berliner Landesverband der rechtsradikalen „Republikaner“ (REPs) für den vergangenen Samstag seinen Parteitag angesetzt. Geplante Tagesordnung: Neuwahl des Landesvorstandes und „Kämpferischer Auftakt für die Europawahlen am 18. Juni“. Doch daraus wurde erst mal nichts: Bemühungen der rechten Ultras, einen geeigneten Saal im Berliner Wedding zu finden, sind ebenso gescheitert wie ein Versuch, erneut das Internationale Congress-Centrum anzumieten. Geplant ist nun, erst nach den Europa-Wahlen „einen Ort in Westdeutschland zu suchen, zu dem dann die Delegierten in Bussen gebracht werden“.

Die Verschiebung des Landesparteitags auf einen Termin erst nach den Europa-Wahlen hat allerdings ganz andere Gründe: Die Bundespartei befürchtet, daß es während des Parteitages zu „häßlichen Szenen kommen könnte“, zumal der Berliner Parteiführer Andres geschaßt werden soll. Nachdem unlängst die rüden Umgangsformen des 38jährigen Polizisten Andres mit parteiinternen Kritikern und sein unseriöses Finanzgebaren durch die Presse gingen, wurde die Berliner REP-Spitze in die Parteizentrale nach München zitiert und mußte sich dort Rüffel abholen. In Begleitung von Andres, dessen designierter Nachfolger Pagels und EX-NPD-Chef Kenzia. REP -Chef Schönhubers Vorschlag: Andres, der den REP-Slogan „Mut und Kraft zur Autorität“ in tumber Manier überzogen hat, soll ins zweite Glied. Gegen Andres soll dann der ehemalige Vorsitzende der Berliner Jungen Union, Pagels, um den Parteivorsitz kandidieren. Der ehrgeizige Jung-Rechte hätte gute Chancen: Insiderkreise schätzen, daß von den gut 300 Delegierten zwei Drittel für Pagels votieren werden.

Aber nicht nur wegen des zu erwartenden Gerangels um die Führung bei den Berliner REPs hält Schönhuber die Parteitagverschiebung für angebracht. Die mühsam aufgebaute Fassade der „Reputierlichkeit“ der Partei steht auf dem Spiel. An der Basis macht sich Unzufriedenheit über die Machenschaften vor allem des Parteivorstandes breit. Dem Vorsitzenden Andres und sechs weiteren Abgeordneten der REPs steht ein Strafverfahren wegen „übler Nachrede“ ins Haus.

Andres hatte zu Zeiten der Gründungsphase im Kampf um die Führung der Berliner REPs einen Kontrahenten mittels einer erfundenen Verleumdung aus der Partei gefeuert. Öffentlich hatte Andres erklärt, sein interner Widersacher habe in seiner Eigenschaft als Kreisvorsitzender West, 4.000 Mark Spendengelder unterschlagen. Um die Glaubwürdigkeit der Beschuldigung zu unterstützen, unterzeichneten im Februar 1989 gleich sechs weitere REP-Abgeordnete den Ausschlußantrag. Prompt reagierte der so Ausgetrickste mit einer Anzeige gegen alle sieben. Das „Haudrauf„-Gebahren von Andres und den sechs fand beim REP-Landesvorstand offenbar dann doch keinen Anklang. Dort besann man sich der REP -Parole: „Die ernstgemeinte Ehrlichkeit der Republikaner macht sie so einzigartig unter den Parteien“, und schrieb dem Verleumdeten einen Brief. „Namens und in Vollmacht von B. Andres sowie des Landesverbandes (...) wird die Aussage, Herr B. habe in seiner Amtszeit als Kreisvorsitzender West vermutlich 4.000 Mark Spendengeld unterschlagen, nicht mehr aufrechterhalten“.

Vor dem Kadi wird der noch amtierende Landesvorsitzende sich auch in einem anderen Fall zu verantworten haben. Er hatte den REP-Abgeordneten des Bezirksparlaments Charlottenburg, Handschumacher, bei einer Auseinandersetzung kurzerhand in den Polizeigriff genommen und aus dem Zimmer geschleppt. Folge: Handschumacher zeigte Andres wegen Körperverletzung an. Im Gegenzug feuerte Andres Handschumacher aus der Partei. Lange ist er jedoch nicht ohne „politische Heimat“ geblieben: Wie am Mittwoch bekannt wurde, ist Handschumacher zur CDU übergetreten.

In Berlin hat sich der REP-Wahlerfolg nicht nur zu 60 Prozent aus ehemaligen CDU-Wählern gespeist, sondern auch viele CDU-Funktionsträger sind zu den Rechtsradikalen übergewechselt. Aber das Wechselspiel zwischen Konservativen und Faschisten funktioniert - auch in die andere Richtung siehe Handschumacher. Sein Übertritt verhilft der CDU möglicherweise auch zu dem noch vakanten Stadtratsposten für Volksbildung in Charlottenburg. Übertritte zur CDU planen aber noch vier weitere Bezirksabgeordnete der REPs, so in Spandau, Charlottenburg, Kreuzberg und Tiergarten. Auch in anderen Bereichen gibt es Übereinstimmung mit den bekannten Machenschaften der Christdemokraten. Hauptvorwurf aus den eigenen Reihen: Die Berliner REP-Führung, die ihren Wählern versprochen hatte, gegen Korruption, Ämterpatronage und Postengeschacher vorzugehen und für Ehrlichkeit, Sauberkeit und Recht und Ordnung einzutreten, würde sich dabei überhaupt nicht von der CDU unterscheiden.

Die Vorwürfe sind massiv: So hat der Vorsitzende Andres sich zu den bewilligten 85.000 Mark für den Berliner REP -Wahlkampf zusätzliche 100.000 Mark von dem Geschäftsmann Herzog geliehen. Als Herzog den Kredit zurückforderte, hatte Andres behauptet, er habe ihn gar nicht erhalten. Erst als der Landesschatzmeister Voss ihm einen unwiderlegbaren Kreditvertrag vorlegte, erkannte Andres die Rechtmäßigkeit der Forderung des Gläubigers an. Grund für Andres anfängliches Abstreiten, das Geld erhalten zu haben, ist möglicherweise der Umstand, daß er die gepumpten 100.000 Mark am Schatzmeister vorbei und damit unkontrolliert von der Partei ausgegeben hat.

Mißfallen an der Basis auch über die Postenschieberei der Parteispitze. So habe Andres seine Frau, die zuvor jahrelang im Büro des stadtbekannten Bauspekulanten Klingbeil gearbeitet hat, sofort als Fraktionsassistentin mit einem Gehalt von 4.600 Mark eingestellt. Verärgert zeigt man sich auch darüber, daß Andres zu seinen monatlichen Diäten von 5.900 Mark aus der Parteikasse noch einmal die gleiche Summe verlangt hat und ihm immerhin noch 3.000 Mark monatlich zusätzlich bewilligt wurden. Auch beim Integrieren von alten und neuen Nazis tut man sich bei den Berliner REPs keinen Zwang mehr an. „Inzwischen sind fast alle bekannten Neonazis aus Berlin Mitglieder der Partei. Allein im Bezirk Neukölln gibt es 70 neue Mitglieder, von denen dort kaum einer weiß, wer die sind. „Die wurden nämlich vom Landesvorstand aufgenommen und nicht, wie üblich, vom Kreisverband“, kritisiert ein Mitglied die Integration von Neo-Nazis. Zuständig für diesen Trick ist der Rathausabgeordnete Peter Rieger, ein wegen Steuerhinterziehung und „Verbreitung unzüchtiger Schriften“ vorbestrafter Taxifahrer.

Aber Widerstand des Kreisverbandes gegen diese Art von Mitgliederaufnahme ist nicht zu erwarten: Kreisvorsitzender in Neuköln ist der jetzige REP-Abgeordnete im Schöneberger Rathaus und frühere NPD-Landesvorsitzender Kenzia. Freimaurer Kenzia hält es mit den alten Kameraden. Seinem Weggefährten aus NPD-Zeiten, Kösling, hat er einen Job im Rathaus besorgt. Ex-NPD-Mann Kösling hält für die REPs die „Bürgersprechstunde“ ab. Aber auch einen zweiten Mann seines Vertrauens holte EX-NPD-Chef Kenzia an seine Seite. Der mehrfach wegen Trunkenkheit und Körperverletzung vorbestrafte und deswegen aus dem Polizeidienst gefeuerte Heinz Gehring fungiert jetzt als „rechte Hand“ Kenzias im Rathaus Schöneberg.

REP-Chef Schönhuber spekuliert auf einen hohen Stimmengewinn der REPs bei der Europa-Wahl. „Manche in der Parteiführung rechnen mit zehn Prozent“, erklärte unlängst noch das Berliner Vorstandsmitglied Göllner gegenüber seinem Kreisverband. „Aber selbst wenn wir nur 0,5 Prozent bekommen, sind das schon anderthalb Millionen“, so Göllners Rechnung, die sich auf die Beiträge aus den Wahlkampfkosten -Rückerstattung bezieht. Und Geld brauchen sie, die REPs.

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