: Biobetriebe-betr.: "Überkapazität bei Fleisch und Milch", "Ökonomische Scharmützel um die gesündere Milch", taz vom 5.5.89
betr.: „Überkapazitäten bei Fleisch und Milch“, „Ökonomische Scharmützel um die gesündere Milch“, taz vom 5.5.89
Seit Beginn der achtziger Jahre steigt die Anzahl der Betriebe mit kontrolliert biologischem Anbau in der Bundesrepublik um 20 bis 25 Prozent pro Jahr. Alle Fachleute erwarten eine Fortsetzung dieser Entwicklung und prognostizieren gegenüber 1988 eine vier bis fünffache Produktionsmenge bis zur Mitte der neunziger Jahre.
Zum Zwecke der Mistproduktion muß ökologischer Landbau in der Regel in einer Kreislaufwirtschaft mit einer angemessenen Zahl von Tieren (meist Rindvieh) betrieben werden. Ferner gedeihen gesunde und widerstandsfähige Pflanzen nur in ökologisch ausgewogenen Fruchtfolgen. Deshalb kann der Bio-Landwirt nicht nur das begehrte Bio -Getreide erzeugen, vielmehr fallen zwangsläufig viele andere Feldfrüchte sowie auch erhebliche Mengen an Schlachtvieh und Milch an, die natürlich auch vermarktet werden wollen.
Daß chemiefreie Futtererzeugung und artgerechte Tierhaltung unter völligem Verzicht auf Zukauf von Importfuttermitteln deutlich höhere Gestehungskosten gegenüber konventioneller Massenware zur Folgen haben, ist wissenschaftlich unbestritten. Da aber zur Zeit in Niedersachsen nur etwa 30 Prozent der organisch-biologisch erzeugten Milch auch als Bioland-Produkt vermarktet werden können, müssen viele Betriebe ihre Biomilch zu niedrigeren Preisen an ganz normale Molkereien verkaufen. Für die meisten dieser zwangsläufig konventionell vermarktenden Betriebe bedeutet das eine Gefährdung ihrer Existenz. Hier liegt auch einer der Gründe dafür, daß viele interessierte Kollegen es nicht wagen, auf biologischen Anbau umzustellen.
Ein Teil der Milch wird direkt ab Hof vermarktet. Die meisten Biobauern sehen in den Naturkostfachgeschäften ihre soliden und besten Vermarktungspartner. Den Kennern des Marktes ist hingegen schon seit einigen Jahren klar, daß diese Absatzwege für etliche Produkte nicht ausreichen. So experimentiert Demeter zur Zeit in München und Nürnberg beim Fleischabsatz mit Fachabteilungen in Supermärkten, weil andere Anbauorganisationen dort bereits mit Fleischfachgeschäften gut im Markt sind. Und so experimentieren einige Bioland-Erzeuger beim Kartoffel-, Gemüse- und Milchabsatz mit dem konventionellen Handel.
Führen wir uns vor Augen: zwei von 1.000 Hektar, zwei von 1.000 Kühen sind in biologischer Erzeugung, und selbst da gibt es schon bei etlichen Produkten Absatzprobleme. Wenn hier nicht rasch enorme Mengenausweitungen im Absatz erfolgen, dann bleibt der biologische Landbau ein Mauerblümchen. Kann der Biolandbau sich nicht ausweiten, kann er auch seine ökologischen Wirkungen nicht entfalten. Es ist wirklich absurd, von überproportionalem Wachstum oder gar von Überkapazitäten zu reden und den Biobauern den schwarzen Peter zuzuschieben. Was fehlt, sind Vermarktungsstrukturen, die zur Zeit 0,2 Prozent und 1985 vielleicht ein Prozent der bundesdeutschen landwirtschaftlichen Erzeugung vermarkten. Wäre der Naturkostfachhandel dazu in der Lage, bräuchten sich die Biobauern nicht um „neue Wege“ zu bemühen. Die Boykottdrohung, die von Rainer Kutsch (...) ausgesprochen wurde, ist makaber und politisch daneben. So spaltet er die Biobauern in brave Naturkostbelieferer und böse Supermarktbelieferer und hindert die bitter notwendige Fortentwicklung dieser kleinen Außenseitergruppe.
Hinzu kommen völlig irrwitzige Behauptungen. Nie wurden dem konventionellen Handel Rabatte angeboten, die der Naturkosthandel nicht bekäme. Tatsächlich entscheidet die Effizienz des Naturkostfachhandels darüber, ob Bioprodukte überhaupt im konventionellen Handel erscheinen müssen. Funktioniert dort der Absatz, entfällt die Notwendigkeit anderer Absatzwege.
Die Bioland GmbH Niedersachsen, eine Erzeugergemeinschaft von 60 Biolandbauern, beabsichtigt nur die Existenzsicherung ihrer Höfe. Sie will auch nur mit Marktpartnern zusammenarbeiten, die keinen gefährlichen Preisdruck ausüben und bei denen sichergestellt ist, daß die VerkäuferInnen genug Fachkenntnisse haben, um die Endverbraucher über die Anbaumethoden zu informieren. Beides wäre bei Butter-Lindner gewährleistet gewesen. Die Zusammenarbeit mit Butter-Lindner ist daran gescheitert, daß diese Firma keine Ware aus Umstellungsbetrieben vermarkten wollte. Die Umstellungsbetriebe haben aber die größten Absatzprobleme.
Reinhard Bade, Bioland-Landwirt, Grießem (Weserbergland)
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