: Bismarck als Büchsenöffner?
■ Das Deutsche Historische Museum macht PR mit einer Ausstellung über Adenauers Großvater / 1990 wird „gemeinsame europäische Erinnerung gewagt“
Die „Deutsches Historisches Museum GmbH“ startet zur PR -Großoffensive durch: Eine Pressekonferenz jagt die nächste unter dem Motto „Wir sind noch da und gedenken auch dazubleiben“. So hatten die Kohl-Museher erst Ende April in Walter Momper einen Leihvater für das Bonner Kukucksei sich ausgesucht und ihm den geplanten Geschichtsstempel gleich mitgewidmet, nicht ohne daß Chef-Historiker Stölzl flott noch auf Dietrich Stobbe als prähistorischen Quasi-Ideator verwiesen hätte (s.taz vom 22.4.89).
Am Mittwoch nun holte man auf der sog. „Probebühne“ des in einem Gewerbehof in der Winscheidstraße auch räumlich wildwuchernden DHM zu einem neuen Schlag in die Werbe-Gegend aus: Bis ins Detail der einzelnen Exponate wurde die Bismarck-Ausstellung, die im Sommer 1990 im Martin-Gropius -Bau gezeigt wird, der Öffentlichkeit schon jetzt ans Herz gepriesen. Für den ausstellerischen Erstschlag des DHM wurde - taktisch äußerst klug - die spätestens seit ihrer Mitarbeit an der Berlin-Ausstellung hier allseits bekannte und beliebte Marie-Louise Gräfin von Plessen angeworben, an deren kulturhistorischer Kompetenz und aushängeschillernder Qualifikation so schnell niemand zweifeln wird und die deshalb seit April gleich noch als stellvertretende Museumsdirektorin integriert wurde.
Die wissenschaftliche Leitung der Bismarck-Ausstellung übernimmt der Frankfurter Fürsten-Forscher und Verdienstkreuzritter Lothar Gall. Boris Podrecca aus Wien soll als Ausstellungsgestalter die „Monumentalität des 19.Jahrhunderts immaterialisieren und entschlacken“, kündigte Plessen an. Vorfreuen darf man sich laut Plessen dennoch auf eine „außerordentlich bunte Ausstellung“ über das „Jahrhundert der Trikoloren und Embleme“. Besonders die Leihgaben aus Italien seien „von höchster Farbkraft“. Und was die „kriegerischen Maßnahmen“ (???) betrifft, so wolle man „auch deren Kehrseite“ (???) zeigen.
Der Grund dafür, warum das Pilotprojekt des Deutschen Historischen Museums gerade dem eisernen Kanzler und Vater der Kleindeutschen Lösung mit Hauptstadt Berlin huldigt, ist unschwer zu finden: Schließlich besteht immer noch Rechtfertigungsbedarf dafür, daß über tausend Jahre deutsche Ländergeschichte ausgerechnet in der relativ kurzzeitigen Reichshauptstadt zelebriert werden sollen. Die direkte Linie Kohl-Adenauer-Bismarck spiele indessen keine Rolle. Gall bezeichnet Bismarck vielmehr als „Leitfossil der europäischen Geschichte“, Stölzl spricht gar von „Bismarck als Büchsenöffner“.
Man gibt sich also modisch-europäisch wg. „panoramatischer Sicht der eigenen Geschichte im Konzert mit den anderen Kräften in Europa“, und weil es an der Zeit sei, „gemeinschaftliche Erinnerung zu wagen“ (Stölzl). Man wolle kein Denkmal bauen, aber auch keines zerstören und eigentlich sowieso eher eine Ausstellung über Europa im 19. Jahrhundert machen. Warum das nicht - wie bei den Ausstellungen über Preußen oder Berlin - auch ohne Bismarck ginge, wurde konsequent gefragt. Gall schützte pragmatische Gründe vor: Menschen interessierten sich mehr für Menschen. In eine Ausstellung über Strukturen kämen keine Besucher, was dann auch wirtschaftlich schlecht wäre für die Museums -GmbH. Warum sich die Menschen für Menschen interessieren und was es heißt, das Bedürfnis der Leute nach Identifikation mit den historischen Autoritäten zu bedienen, verriet Gall nicht - schließlich will man ja angeblich keine nationale Identifikationsstätte werden.
grr
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