: Nachgemachte Milch
■ Jetzt erlaubte Kunst-Milch-Produkte schlecht für VerbraucherInnen und kleine Produzenten / Boykott-Aufruf
Als eine bewußte Täuschung der Verbraucher hat die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) die Aufhebung des Imitationsverbotes bei Milch durch den EG -Gerichtshof bezeichnet. Allein die Ernährungsindustrie sei der Gewinner, viele Milchbauern und die Verbraucher seien die Verlierer, sagte der Bundesgeschäftsführer der Bauernopposition, Georg Janßen. Das Urteil heize auch die Überschußsituation wieder an. Die ABL rechnet damit, daß durch die Milchimitate sechs bis zehn Millionen Tonnen Milch vom Markt verdrängt werden. Viele kleinere Milchviehbetriebe kämen dann unter Existenzdruck. Auch die Lebensmittelqualität könne sich bei Milchprodukten verändern. „Imitate werden aus beliebigen Rohstoffkomponenten zusammengemischt. Sie sind daher mit zahlreichen Zusatzstoffen, wie Stabilisatoren, Konservierungsstoffen, Farbstoffen und Geschmackstoffen belastet“, erklärte Janßen. Die Qualität echter Milchprodukte könne sich aus Wettbewerbsgründen den Imitaten angleichen.
Das Urteil wird nach Ansicht der Bauernopposition eine neue Dimension eröffnen: Die Ernährungsindustrie verdränge traditionelle Lebensmittel durch Herstellung von industriellen Fertigprodukten, in denen die Verwendung von Imitaten offensichtlich
sei. Die Durchsetzung der Imitate könnte auch die Hintertür für die Legalisierung der gentechnologischen Bearbeitung von Lebensmitteln öffnen, meinte der ABL-Sprecher.
„Bauern und Verbraucher müssen gemeinsam verhindern, daß es in Zukunft zwei Klassen von Lebensmitteln, nämlich Billigprodukte und Luxuswaren, gibt. Wir appellieren deshalb an die Verbraucher, noch engeren Kontakt mit bäuerlichen Betrieben zu suchen, die umweltfreundlich produzieren und ihre Tiere artgerecht halten“, sagte Janßen.
Die kleine Thedinghauser Molkerei werde keine Imitate produzieren können, erklärte ihr Direktor, Hans Lucht, in einem Referat vor dem ABL-Arbeitskreis Heide-Weser. Dies überlasse man solchen Molkerei-Riesen wie Bremerland oder Nordmilch in Zeven, die die Rezepturen für Imitate schon in den Schubladen hätten. Der Sprecher des ABL-Arbeitskreises, Karl-Heinz Rengstorf aus Oiste bei Verden, rief die VerbraucherInnen zum Boykott der Imitationsprodukte auf und kündigte Aktionen gegen die Zulassung des gentechnisch hergestellten Rinderwachstumshormons (BST) an. - Nach Ermittlungen des niedersächsischen Landvolkverbandes hat sich die Zahl der Molkereien seit Herbst 88 um weitere sechs auf 132 verringert. dpa/ta
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