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Abfallprodukt der Kämpfe zum Ziel erklärt-betr.: "Besetzer und Besitzer: Eine Front", taz vom 9.5.89

Betr.: „Besetzer und Besitzer: Eine Front“, taz vom 9.5.89

(...) Nicht die Räumung steht im Vordergrund, sondern die „Drohung“ gegen Franziska. Dafür muß ein eher allgemeines Flugblatt herhalten, das in der Banalität gipfelt, daß sie für die Räumung „die Verantwortung zu trägen hätte“. Was ist denn das für eine „Drohung“ für jemanden, der politische Verantwortung übernommen hat? (...)

Der Bezirk braucht Umsetzwohnungen, und außerdem ist da noch die Kita. Das braucht der Bezirk schon seit Jahren, ohne daß das für den nötigen Handlungsdruck auf die Eigentümerfirma Gesa gereicht hätte, und es wird weiter kein Wort darüber verloren, daß die geplante Kita im Hinterhaus von den BesetzerInnen des Vorderhauses nie in Frage gestellt worden ist. Statt dessen dummes Geschwätz über innige Beziehungen zwischen Gesa und BesetzerInnen. Die Unverfrorenheit, mit der eine AL-Stadträtin tagelang die Gesa bestürmt, endlich einen Räumungsantrag zu stellen, läßt die CDU-Hardliner geradezu in einem milden Licht erscheinen, und die Räumung ohne Strafantrag fällt noch weit hinter die CDU-Linie zurück.

Am meisten ärgert mich als sogenannten „Alt-Besetzer“ aber der ständige Versuch der taz, uns zu KronzeugInnen ihres rot -grünen Hofjournalismus zu machen. Zur Erinnerung: Die meisten der damals besetzten Häuser waren in irgendeinem Sanierungsprogramm, und der blöde Spruch des nunmehr sechsten Bausenators seit damals, die BesetzerInnen wollen sich an der Schlange der Wohnungssuchenden vorbeimogeln, stammt original aus dem CDU-Pressedienst von 1981.

(...) Laßt uns „Alt-BesetzerInnen“ aus dem Spiel, wenn Euer Verständnis der damaligen Kämpfe um selbstbestimmtes Leben in der unkommentierten Erkenntnis des Mieterberaters auf der nächsten Seite gipfelt: „Die Hausbesetzer '81 haben dafür gekämpft, daß wir für die Mieterberatung Geld kriegen.“ Naja, wenn's denn so ist, daß ein Abfallprodukt der Kämpfe zu deren Ziel aufgewertet wird.

Georg Uehlein, Berlin 36

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