: Keine Rückendeckung aus Bonn
Dr.Steinkühler, Generalkonsul in Mailand, zu der gegen ihn laufenden Pressekampagne der 'FAZ‘ und über die Haltung seines Dienstherrn, das Auswärtige Amt / „Man hat versucht, mich auf Linie zu bringen“ ■ I N T E R V I E W
taz: Herr Dr.Steinkühler, jetzt wirft Ihnen die 'FAZ‘ erneut, wie Ende letzten Jahres, vor, Sie würden das deutsch -italienische Verhältnis stören, weil Sie durch ihr Verhalten ins Gedächtnis rufen, daß auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Castermano/Verona auch SS-Massenmörder begraben liegen. Stören Sie das Verhältnis?
Dr.Steinkühler: Wenn hier das deutsch-italienische Verhältnis gestört ist - und nicht nur das, sondern auch das Verhältnis zu anderen Ländern, aus denen Menschen in die Vernichtungslager deportiert wurden -, dann ist das zurückzuführen auf die Tatsache, daß auf dem Soldatenfriedhof in Costermano drei Kommandanten von Vernichtunglagern beigesetzt sind.
Nun wirft die 'FAZ‘ Ihnen auch vor, Sie hätten durch Ihre „Umtriebigkeit“ die Italiener, die von sich aus zum Vergessen bereit seien, gewissermaßen gezwungen zu protestieren.
Dieser Unterstellung widersprechen die tatsächlichen Abläufe. Es hat einen Schritt der italienischen Regierung gegenüber der Bundesrepublik gegeben, die betreffenden Gräber in Costermano zu beseitigen. Die italienische Presse hat diese Vorgänge von sich aus aufgegriffen. Ich war nur insofern beteiligt, als ich um Informationsgespräche gebeten wurde.
Nun erinnert der neuerliche Angriff an die Kampagne, die Ende des letzten Jahres die 'FAZ‘ und die 'Neue Bildpost‘ gegen Sie geführt hatten. Dies hatte ja das Auswärtige Amt zu dem ungewöhnlichen Schritt veranlaßt, Anfang Januar 1989 einen Inspekteur zu Ihnen zu schicken. Waren denn damit die Vorwürfe gegen Sie geklärt?
Nein. Das Ziel der Inspektion war vielmehr, mich zu veranlassen anzuerkennen, in die Feiern zum Anlaß des Volkstrauertages auf dem Soldatenfriedhof auch diejenigen einzubeziehen, die Angehörige der SS gewesen sind. Ich habe mich dieser Forderung widersetzt - insofern ist die Inspektion ergebnislos geblieben.
Inzwischen gibt es - spätestens nachdem Andreotti in Bonn vorstellig geworden ist - eine definierte Haltung der Italiener, die Ihren Standpunkt bestätigt. Hat Ihnen Bonn jetzt wenigstens signalisiert, daß man Ihre Haltung billigt?
Seit dem Besuch des Inspekteurs ist der Komplex Costermano nicht mehr Gesprächsgegenstand zwischen dem Auswärtigen Amt und mir. Um mich zu unterrichten, muß ich mich an die italienische Presse halten.
Jetzt dieser 'FAZ'-Artikel, ein paar Tage zuvor der angeblich private Besuch des Ministers Zimmermann in Costermano, dann die Erklärung von Minister Klein zur Waffen -SS: sind das nicht Manöver oder Pressionen, die gegen die Haltung der italienische Regierung gerichtet sind?
Traditionell hat sich das Auswärtige Amt die Auffassung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu eigen gemacht, wonach zwischen „Kriegshandlungen und Waffengattungen (also auch der Waffen-SS, d.Red.) kein Unterschied zu machen“ sei. Die Tatsache, daß sich in der Zwischenzeit an den Verhältnissen auf dem Friedhof nichts geändert hat; die Tatsache, daß versucht worden ist, durch inspektorales Einwirken, mich auf Linie zu bringen; die Tatsache, daß ich zum Gegenstand einer Briefkampagne aus rechtsextremen Kreisen geworden bin; die Tatsache, daß Bundesminister Klein pauschal die Waffen-SS exkulpiert - all das deutet daraufhin, daß es in der Tat Kreise in der Bundesregierung gibt, die meinen, man dürfe keinen Unterschied machen zwischen der in Nürnberg als verbrecherisch verurteilten Organisation der SS und der Wehrmacht.
Wie auch immer: da Ihre Haltung gute Gründe hat und Sie durchaus infamen Angriffen ausgesetzt sind, sollte man doch meinen, daß hier die Schutzpflicht des Dienstherrn, des Auswärtigen Amtes, gefordert ist?
Aber natürlich: das Bundesbeamtengesetz schreibt dem Dienstherrn, dem Auswärtigen Amt, mir gegenüber eine Fürsorgepflicht vor. Insbesondere deswegen, weil die Haltungen, die ich in dieser Frage einnehme, aus meinen beamtenrechtlichen Verpflichtungen erfolgen: Ich bin verpflichtet, „für die freiheitlich demokratische Grundordnung“ einzutreten, die sich schließlich als Gegensatz zum Nationalsozialismus versteht. Insofern sehe ich mich sowohl durch das Schweigen als auch durch die Versuche, mich in Positionen zu zwingen, die sicherlich nicht im Einklang mit dem Grundgesetz sind, in meinen berechtigten Ansprüchen durch meinen Dienstherren verletzt.
Wenn diese Kampagnen, Pressionen und die mehr oder weniger schweigende Billigung durch Bonn weitergehen, läuft das dann nicht auf eine nachhaltige Störung des deutsch-italienischen Verhältnisses hinaus?
Natürlich.
Ihr Dienstherr, das Auswärtige Amt, schweigt ja nicht nur Ihnen gegenüber, sondern auch über das, was Sie an geschichtlichen Tatsachen öffentlich gemacht haben: zum Beispiel Politik nach 1945. Im Konsulat von Mailand wurde beispielsweise - wie Sie schrieben - der Fahrer jenes berüchtigten Wirth, der im Verdacht stand, das Krematorium des Vernichtungslagers in Triest geleitet zu haben, eingestellt.
Obwohl meine Veröffentlichung schon zwei Monate zurückliegt, gibt es keine Reaktionen. Aber auf meinen im selbigen Artikel publizierten Hinweis auf den ehemaligen Judenreferenten für Italien, Dr. Meissner, der 1986 das Große Bundesverdienstkreuz erhielt, reagierte das Bundespräsidialamt. Es hat mir mitgeteilt, daß es diesen Vorgang „in Bearbeitung“ genommen hat.
Interview: Klaus Hartung
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