: RAF-Hungerstreik zu Ende
Nach über 100 Tagen haben die RAF-Gefangenen ihren kollektiven Hungerstreik abgebrochen / SPD-Länder wollen Kleingruppen-Lösung / Anwälte informierten über den Abruch / Erklärung der Gefangenen am Dienstag ■ Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) - Nach insgesamt 101 Tagen Hungerstreik haben die Gefangenen aus der RAF und anderen militanten Gruppen gestern ihren Hungerstreik abgebrochen. Gabriele Rollnik und Rolf Heißler standen an der Spitze der Hungesrtreik-Kette und verweigerten gestern seit 73 Tagen jede Nahrungsaufnahme. Zuletzt waren 41 Gefangene am Hungerstreik beteiligt.
Der Anwalt von Karl-Heinz Dellwo, Rainer Koch, bestätigte gestern, daß die Gefangenen Brigitte Mohnhaupt, Helmut Pohl und Karl-Heinz Dellwo sich gestern Morgen telefonisch auf den Abbruch des Hungerstreikes verständigten. Eine weitere Eskalation sollte damit verhindert werden. Angesichts des kritischen Gesundheitszustandes von Adelheid Schulz, Gabriele Rollnik und Rolf Heißler habe diese Entscheidung vor den Pfingstfeiertagen getroffen werden müssen, da sich die Inhaftierten über die Feiertage nur schlecht verständigen könnten. Unter der Hand, sagte Rechtsanwalt Rainer Koch, sei den Gefangenen mitgeteilt worden, daß sich über die bisherigen Angebote der SPD-Länder hinaus „etwas in Richtung ihrer Forderungen bewegen“ könnte.
Den Beschluß der Gefangenen soll der in Schwalmstadt inhaftierte Helmut Pohl telefonisch den Behörden übermittelt haben. Das erklärte gestern der nordrhein-westfälische Justizminister Krumsiek. Nach seinen Worten hat Adelheid Schulz, die in das Haftkrankenhaus Fröndenberg verlegt worden war, gestern nach 59 Hungerstreiktagen wieder feste Nahrung zu sich genommen. Laut Krumsiek hat der Düsseldorfer Staatssekretär Röwer gestern Morgen zweieinhalb Stunden mit Adelheid Schulz gesprochen. An dem Gespräch nahm danach auch ihr Anwalt Johannes Pausch teil. Während der Unterredung telefonierten diesen Informationen zufolge Schulz und Pausch mit Christa Eckes in Köln und mit Helmut Pohl, dem Sprecher der Gefangenen. Erklärungen der Gefangenen sollen am Dienstag folgen.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat sich
gestern bereit erklärt, eine Gruppe von sechs gefangenen
Frauen einzurichten. Darunter sollen auch zwei Frauen sein, die noch nicht rechtskräftig verurteilt worden sind. Diese Gruppe soll mit 14 weiteren Gefangenen dann in den
Normalvollzug integriert werden. Der Düsseldorfer Vorschlag ist mit Schleswig-Holstein und dem Berliner Senat
abgestimmt. Ähnliche Vorschläge werden jetzt auch aus Berlin und Kiel erwartet. So gibt es seit Tagen die Überlegung, die in Berlin inhaftierten beiden Frauen nach Lübeck zu
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verlegen. Dem Vernehmen nach soll Berlin auch bereit sein, eine Gruppe mit bis zu acht Personen einzurichten.
Die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach ließ nur erklären, „konkrete Schritte stehen im einzelnen jetzt noch nicht fest“. Sie begrüßte das Ende des Hungerstreikes, „weil so vielfältige Gespräche fortgesetzt werden können, die schon in letzter Zeit nach und nach einen Verständigungswillen deutlich gemacht hatten“. Ausdrücklich bedankte sie sich bei Bischof Kruse und Staatssekretär Kinkel für deren „unermüdliche Vermittlungsbemühingen“. Die Fraktionssprecherin der Bonner
Grünen, Antje Vollmer, erklärte in einer ersten Stellungnahme, ihre Erleichterung über den Schritt der Gefangenen sei mit viel Verbitterung gemischt. Der Preis für den langen Verlauf sei sehr hoch gewesen.
Eine Zusammenlegung aller Gefangener in Kleingruppen - wie sie der Bonner Staatssekretär Klaus Kinkel vorgeschlagen hatte - war in den 14 Woche Hungerstreik immer wieder am erbitterten Widerstand der unionsregierten Länder Bayern und Baden-Württemberg gescheitert. Auch Niedersachsen erklärte gestern zum wiederholten Mal, keine Zugeständnisse machen zu wollen. Der Justizsprecher erklärte zum Celler Hochsicherheitstrakt aber auch: „Eine Fünfergruppen haben wir schon gehabt“.
Der Abbruch des Hungerstreikes
stelle keinen Sieg des Rechtsstaates dar, erklärte in Berlin die Vereinigung der Strafverteidiger. Die „Hardliner“ aus der CDU/CSU sollten jetzt nicht in billiges Triumph-Geschrei ausbrechen, humanitäre Haftverhältnisse blieben eine Verpflichtung eines jeden Rechtsstaates, „auch und gerade nach Beendigung der vorgeblichen Erpressungssituation“.
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