: Frankreich bleibt auf Atommüll sitzen
Der Stromkonzern EdF hat seine eigenen Plutonium-Pläne drastisch gekürzt / 13.000 Tonnen Atommüll / Nur noch die Deutschen wollen die Wiederaufarbeitung / Plutonium-Brennstoff fünfmal teurer als Uran ■ Aus Berlin Harald Schumann
Im Gegensatz zur bundesdeutschen Stromwirtschaft hält offensichtlich das Management des französischen Staatskonzerns „Electricite de France“ (EdF) die Wiederaufarbeitung von abgebranntem Uranbrennstoff für weitgehend unwirtschaftlich und überflüssig. Diese Ansicht vertrat der Pariser Atomexperte Mycle Schneider, der für den „World Information Service on Energy“ (WISE) seit Jahren die Aktivitäten des französischen Atomsektors verfolgt. Eine genaue Analyse der angestrebten Zusammenarbeit der Veba AG mit Frankreichs staatlichem Atomkonzern Cogema beim Betrieb der Plutonium-Fabrik (Wiederaufarbeitungsanlage) in La Hague, so Schneider, ergebe unzweifelhaft, „daß die EdF im Gegensatz zu früheren Planungen nur noch einen kleinen Bruchteil ihrer abgebrannten Brennelemente wirklich wiederaufarbeiten will“. So liegen schon bis heute knapp 3.000 Tonnen alte Brennelemente aus EdF-Beständen auf Lager, die Lieferung weiterer 4.700 Tonnen sind für die Jahre bis 1994 vertraglich vereinbart. Bis dahin werden in Frankreich 54 Atommeiler in Betrieb sein, gemeinsam werden sie jährlich 1.200 Tonnen Brennelemente verbrauchen. Insgesamt, addiert Schneider, „wird die EdF bis zum Jahr 2000 einen 13.700 Tonnen schweren Berg von verbrauchten Brennelementen produzieren“. Für dessen Bewältigung und die Rückgewinnung des in den Brennstäben enthaltenen Plutoniums reichen aber die Kapazitäten der beiden Anlagen UP2 und UP3 (Usine de Plutonium) in La Hague bei weitem nicht aus. Wegen der langfristigen Verträge mit dem Ausland, hauptsächlich der Bundesrepublik und Japan, ist die UP3-Fabrik, die Anfang nächsten Jahres in Betrieb gehen soll, ohnehin bis zum Jahr 1999 ausgebucht. Anschließend soll mindestens die Hälfte ihrer jährlichen Kapazität von 800 Tonnen für die Veba AG und die bundesdeutsche Atomwirtschaft reserviert bleiben. Die schon betriebene Anlage UP2 verfügt dagegen nur über eine Jahreskapazität von 400 Tonnen, ihre Erweiterung wurde mehrfach verschoben, zuletzt auf das Jahr 1992. „Im Höchstfall“, meint deshalb Schneider, „kann nur die Hälfte, wahrscheinlich sogar wesentlich weniger, des gesamten EdF -Materials in den nächsten 15 Jahren aufgearbeitet werden“.
Insofern sei es „Unsinn, von einer angeblichen Überkapazität für Wiederaufarbeitung in Europa zu sprechen“, wie es vielfach als Begründung für die plötzliche Aufgabe der WAA-Pläne in Wackersdorf genannt wurde. Schneider: „Das Überangebot ist nur dadurch entstanden, daß die Nachfrage rapide gesunken ist, vor allem auf Seiten der EdF.“ Insofern könne die französische Atomwirtschaft heilfroh sein, daß die Deutschen ihnen einen Teil der Anlage abkaufen.
Für ihren zumindest teilweisen Rückzug aus der ursprünglich geplanten großen Plutoniumwirtschaft hat die ohnehin hochverschuldete EdF guten Grund. Schnelle Brüter, die ursprünglich die großen Plutoniummengen nutzen sollten, erwiesen sich auch in Frankreich als wirtschaftlicher und technischer Reinfall. Um das Plutoniumabenteuer dennoch zu rechtfertigen, setzte die internationale Atomgemeinde deshalb in den letzten Jahren auf die Verarbeitung des Bombenstoffs in sogenannten MOX-Elementen (Mischoxid) für normale Reaktoren. Dies ist jedoch nicht minder kostspielig.
„MOX-Brennstoff“, so mußte EdF-Direktor Jean Beaufrre einräumen, „ist derzeit fünfmal teurer als Brennelemente aus Uran.“ Der Preis lasse sich aber vielleicht noch drücken, eine direkte Endlagerung verbrauchter Brennstäbe sei vorerst nicht geplant. Wenn man dann allerdings in ein paar Jahren „eine Bilanz ziehen sollte“, so Beaufrre, „die katastrophal ist, würden wir unsere Haltung überdenken“.
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