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„Haus Sonnenschein“: Selbsthelfer im Regen

■ Pension „Sonnenschein“ ließ Obdachlose ein Haus renovieren / Zugesagte Mietverträge werden jetzt verweigert / Wohnungen sollen mit Aussiedlern belegt werden

Wildwest auf dem Wohnungsmarkt: Eine neunköpfige Gruppe Obdachloser renovierte gegen die Zusage „angemessenen Wohnraums mit gültigem Mietvertrag“ für ein Taschengeld ein Mietshaus. Nun sollen sie rausgeschmissen und das frisch instandgesetzte Haus mit Aussiedlerfamilien belegt werden.

Der berüchtigte Pensionsbetreiber „Haus Sonnenschein“ hatte das Gelände Beusselstraße 67 in Moabit angemietet. Nach jahrelangem Leerstand hatte die Hausverwaltung die Fenster erneuern und eine Heizung einbauen lassen. Die Instandsetzungsarbeiten im Inneren des Gebäudes mußte jedoch der Mieter, das „Haus Sonnenschein“, tragen.

Firmenchef Herbert Haake heuerte dafür eine „Selbsthilfegruppe“ an. Die Gruppe bestand aus acht bis zehn Personen, „Bettstattinhabern“ im Haus Sonnenschein Obdachlose, die von den Sozialämtern bei Kostenübernahme in das Wohnheim eingewiesen wurden.

Für das Versprechen, die renovierten Räume in der Beusselstraße künftig als reguläre Mieter beziehen zu dürfen, tapeziert die Gruppe alle Zimmer, fließt Bäder und Küchen und renoviert das Treppenhaus von Grund auf. 15 bis 20 Mark am Tag ist der Lohn. „Bei ungebührlichem Benehmen“ gibt es auch schon mal weniger.

Den Obdachlosen kam das Angebot dennoch recht. Im Wohnheim „Haus Sonnenschein“ hatten sie alles andere als Sonnenschein vorgefunden. Sie landeten im Bezirk Kreuzberg in der Schleiermacherstraße, 19 Personen in einer Kellerwohnung, ohne warmes Wasser und ohne Dusche. An Silvester zogen sie in der Beusselstraße ein und renovierten nach und nach die Wohnungen. Jetzt, am Pfingstsonntag, erhielten sie die Aufforderung, das Haus wieder zu verlassen.

Das Geschäft mit den Wohnungslosen floriert. Zwischen 17 und 25 Mark pro Bett und Nacht werden von den Sozialämtern aufgebracht. Noch mehr Geld läßt sich mit DDR-Flüchtlingen und Aussiedlerfamilien aus der DDR und Polen machen. Außer den Mitgliedern der Selbsthilfegruppe sind fünf Familien in der Beusselstraße untergebracht. Die monatlichen Mieteinnahmen daraus belaufen sich auf 15.000 Mark. Alles in allem verbucht die Pension Einnahmen in Höhe von 28.835 Mark, wie die Mitglieder der Selbsthilfegruppe errechneten. Die Miete, die das „Haus Sonnenschein“ für das Anwesen abführt beträgt nur 9.000 Mark.

Firmenchef Haake zeigte sich telefonisch von den Vorwürfen überrascht. Er will der Selbsthilfegruppe ein solches Wohnungsangebot nie gemacht haben. Menschlich habe er sogar volles Verständnis für den Wunsch der Bewohner, beteuert er. Nur: „Sie haben ein Anrecht auf eine Schlafstelle, aber nicht auf eine Wohnung.“ Daß der billige Renovierungstrupp jetzt rausgeworfen werden soll, bestreitet er. Für ihn handelt es sich um eine „innerbetriebliche Verlegung“, die Selbsthilfegruppe könne schließlich wieder im Wohnheim in der Schleiermacherstraße nächtigen.

Die vom Rausschmiß Bedrohten haben sich nun zu einem „Hausbesetzungskomitee Beussel 67“ zusammengeschlossen. Gestern erklärten sie, „hier finde eine Teilhausbesetzung statt, um zweckentfremdeten Wohnraum wieder in den normalen Zustand zurückzuversetzen“. Das Besetzerkomitee fordert, daß der Mietvertrag zwischen „Haus Sonnenschein“ und dem Besitzer des Geländes umgehend aufgelöst wird. Anschließend wollen sie mit dem Vermieter direkt über Verträge verhandeln. Für Hausbesetzer ungewöhnlich, fordern sie in ihrer schriftlichen Erklärung auch Polizeischutz, „da durch Äußerungen seitens Herrn Haake Befürchtungen bestehen, daß Haake Gewalt gegen die Hausbesetzter und die Ein richtungen des Hauses anwenden wird“.

Unterstützung fanden die Besetzer bislang bei MitarbeiterInnen der Alternativen Liste. Sie begleiteten gestern einen Teil der Bewohner zum Amtsgericht Tiergarten. Dort sollten einstweilige Verfügungen beantragt werden, die einen Rausschmiß zumindest zeitweise verhindern sollen.

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