: Erstes europaweites Kirchentreffen seit 1431
Ökumenische Versammlung in Basel mit Vertretern aller Kirchen in Europa eröffnet / Nur Albanien fehlt / Kritik an „eurozentrierter Entwicklungshilfe / Pfiffe für „bewaffnete Neutralität“ der Schweiz / Keine Ausreise für Priester aus den Reihen der Charta77 ■ Aus Basel Andreas Zumach
Harte Kritik an einem wirtschaftlichen Entwicklungsmodell, daß im Süden der Welt Armut, Hunger und Militarisierung fördert, übte die Geschäftsführerin des indischen kirchlichen Frauenrates, Aruna Gnanadason, gestern vor der Europäi- schen Ökumenischen Versammlung „Frieden in Gerechtigkeit“ in Basel. Dieses „eurozentrierte“ Entwicklungsmodell sei ein „Dritter Weltkrieg“ gegen die „Kleinen“ der Welt.
Im (west)europäischen Dreiländereck tagen seit Montag abend bis kommenden Sonntag 795 VertreterInnen der Leitungen wie der Basis sämtlicher protestantischer, katholischer und orthodoxer Kirchen Europas - mit Ausnahme Albaniens. Ziel dieser ersten europaweiten ökumenischen Versammlung seit dem Baseler Konzil von 1431 ist die Erarbeitung gemeinsamer Selbstverpflichtungen im Kampf für Frieden, weltweite Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Es bleibt jedoch den einzelnen Kirchen überlassen, inwieweit sie dies auch in ihre Praxis umsetzen. Zwischen den Kirchen umstrittene Fragen wie zum Beispiel Abtreibung oder Bevölkerungspolitik sind im vorliegenden Entwurf für das Dokument ausgespart oder nur angedeutet.
Deutlich andere Akzente als Aruna Gnanadason hatten am Montag abend der britische Politker der Liberalen David Steel sowie das Mitglied der Schweizer Regierung Bundesrat Otto Stich gesetzt. Steel nannte als „wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung des Friedens“ die „völlige Umstrukturierung der sowjetischen und der osteuropäischen Wirtschaft“ und sah keinerlei Veränderungsnotwendigkeit im westlichen Kapitalismus. Großen Beifall erhielt Steel allerdings für seine ausdrückliche Unterstützung der bundesdeutschen Haltung in der Kurzstreckenraketendebatte, deren schärfster Gegner die britische Premierministerin Thatcher ist.
Bundesrat Stich erntete Buhrufe und Pfiffe, als er im Rahmen des Eröffnungsgottesdienstes im völlig überfüllten Baseler Münster die „bewaffnete Neutralität“ der Schweiz pries. Während die Regierung in Prag einem der Charta77 zugehörigen Priester das Ausreisevisum verweigerte, konnten aus der DDR alle 26 Eingeladenen und vom dortigen Kirchenbund benannten Basisgruppenvertreter nach Basel reisen.
Neben den Plenar- und Arbeitsgruppenveranstaltungen zur Beratung des Dokuments findet in Basel eine von 108 Gruppen beschickte „Zukunftswerkstatt Europa“ statt. Auf einem Rheinschiff läuft ein von Frauen aus ganz Europa und anderen Kontinenten bestrittenes Sonderprogramm ab. Siehe auch Seite 8
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