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Rechte „Weiße Wölfe“ morden in Südafrika

Schuldspruch und wahrscheinlich Todesurteil für einen Expolizisten, der wahllos sieben Schwarze erschossen hatte / Angeklagter geständig und ohne Reue / Verbindungen zwischen rechtsextremen Gruppen und der Polizei / Zunahme von Anschlägen und Attentaten  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Ein neonazistischer Weißer, der im November auf offener Straße in Pretoria sieben Schwarze kaltblütig erschossen und 15 verwundet hatte, wird wahrscheinlich zum Tode verurteilt. Nachdem das Gericht in Pretoria ihn am Dienstag für schuldig erklärte, wird heute mit der Verkündung des Strafmaßes gerechnet. Barend Hendrik Strydom (23), ehemaliger Polizist und selbsternannter Führer der neonazistischen Geheimorganisation „Weiße Wölfe“, hatte die Morde detailliert vorbereitet und Augenzeugen zufolge grinsend ausgeführt.

Strydom wurde auch für den Mord an einer schwarzen Bewohnerin einer Slumsiedlung südlich von Johannesburg für schuldig befunden. Diesen Mord hatte er nach eigenen Aussagen eine Woche vor den Morden in Pretoria als „Generalprobe“ durchgeführt, um zu sehen, ob er „physisch und psychisch“ in der Lage sei, Menschen zu töten. Einem Polizisten zufolge sagte Strydom, daß er beim Töten der Frau „nichts fühlte“.

Nach dieser „Probe“ kontaktierte Strydom telefonisch eine burische Tageszeitung und kündigte eine Aktion an, die beweisen würde, daß die “'Weißen Wölfe‘ es ernst meinen“. Dann schrieb er Briefe an seine Eltern und eine Freundin, in denen er seine geplante Aktion als ersten Einsatz im „dritten Freiheitskrieg“ der Buren beschrieb. Die ersten beiden „Freiheitskriege“ waren die Burenkriege gegen die britischen Kolonialherren Ende des neunzehnten Jahrhunderts.

Am nächsten Tag zog er sich eine Tarnuniform an, fuhr ins Zentrum von Pretoria und begann in aller Ruhe, willkürlich schwarze Passanten zu erschießen. Neben den sieben Toten wurde einer der 15 Verletzten, Geelbooi Mabena, querschnittsgelähmt.

Drei psychologischen Gutachten zufolge war Strydom sich während der Morde den Konsequenzen seiner Tat bewußt. Am Tag nach seiner Verhaftung übergab er der Polizei zudem eine handschriftliche Erklärung über die Ziele der „Weißen Wölfe“. So forderte er die Freilassung des „ANC-Kommunisten“ Nelson Mandela, damit er samt Genossen „vom Erdboden entfernt werden könnte“. Die im Februar 1988 gegründete Organisation fordere auch die Gründung eines „christlichen Volksstaates der Buren“, die Wiedereinführung der Apartheid in allen Formen und die Förderung der Grundsätze der „Burischen Widerstandsbewegung“ (AWB), einer neonazistischen Organisation.

Strydoms Aussagen decken erstmals Einzelheiten über die nach verschiedenen Angriffen schon bekannten „Weißen Wölfe“ auf. Die Untergrundorganisation ist in Zellen von jeweils drei Personen organisiert. Obwohl die Beziehung zur AWB nicht deutlich ist, gibt es zahlreiche Kontakte zu dieser öffentlich agierenden Organisation. Aber AWB-Mitglieder beteiligen sich an ähnlichen Aktionen. Vorgestern wurden sieben AWB-Mitglieder in der Grubenstadt Welkom vor Gericht des Landfriedensbruchs angeklagt. Sie sollen den Bürgermeister der Stadt geteert und gefedert haben, als er am Wochenende eine gemischtrassische Sportveranstaltung eröffnete.

Anti-Apartheid-Gruppen haben wiederholt vermutet, daß ultrarechte Gruppen für zahlreiche Angriffe und Attentate auf führende Aktivisten verantwortlich sind. Jüngstes Beispiel ist die Ermordung des weißen Aktivisten David Webster vor zwei Wochen. Er wurde vor seinem Haus in Johannesburg erschossen. Webster selbst hatte in einem Artikel Anfang April gewarnt, daß „Attentate die Opposition kontrollieren sollen, wenn alle anderen Methoden gescheitert sind“.

Viele Oppositionssprecher vermuten, daß es Verbindungen zwischen solchen Todesschwadronen und den Sicherheitskräften gibt. Strydom scheint dies zu belegen: Er war selbst Polizist und seine engsten Freunde sind Polizisten. Rechte Politiker, darunter der AWB-Führer Eugene Terreblanche, behaupten auch, daß die Mehrheit ihrer jüngeren Anhänger in der Polizei und beim Militär sind. Terreblanche bildet zusätzlich eine eigene Leibgarde, genannt „Aquila“ aus. Überall erscheint er umgeben von bewaffneten jungen Wächtern in Khakiuniformen mit dem hakenkreuzähnlichen AWB -Abzeichen.

Angriffe von ultrarechten Gruppen werden nur in Ausnahmefällen erfolgreich untersucht. Zu Verurteilungen kommt es allerhöchstens, wenn es, wie im Fall von Strydom, zahlreiche Zeugen gibt. Zweifellos gibt es jedoch auch Sondereinheiten des Militärs und der Polizei, die vor allem im Ausland Attentate gegen Apartheid-Gegner durchführen.

Neonazistische Gruppen gewinnen zunehmend an politischem Einfluß unter Weißen. Die AWB hat politische Kontakte zur ultrarechten „Konservativen Partei“ (CP), der derzeit größten Oppositionspartei im weißen Parlament. Terreblanche will selbst in den am 6. September stattfindenden allgemeinen Parlamentswahlen kandidieren. Am Dienstag verhandelte er deshalb mit CP-Führer Andries Treurnicht über mögliche politische Allianzen.

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