: Abenteuer Gesamtlesen
■ Dt. Akademie für Sprache und Dichtung in Bremen
Die Preisfrage steht noch nicht ganz fest. „Verändert die Tendenz zum schnellen Du das Verhältnis der Menschen untereinander?“ Oder so. Die sechs Herren der Akademiekommission sind noch unschlüssig. Die Preisfrage ist von der Academie Francaise, der großen Schwester, übernommen. Leider hat noch keiner so nachhaltig wie beispielsweise Rousseau geantwortet.
Die Akademie, 1949 in Frankfurt gegründet und als „literarischer Herrenclub“ in die eigenen Annalen eingegangen, trifft sich zweimal im Jahr, um über deutsche Sprache und Dichtung zu räsonnieren. Das Motto der diesjährigen Frühjahrstagung: „Lesen?“ Vor den Vorträgen die Pressekonferenz. Vorsitzender Prof. Herbert Heckmann findet, wir könnten sofort mit den Fragen beginnen. „Wie ist ihr Name?“ Ach ja, richtig. Aber jetzt bitte zum Thema. Und, wer hätte das gedacht, niemand will mehr lesen. Obwohl der durchschnittliche Leser 120 Bücher besitzt. Es soll sogar noch „hinreißende Leser“ geben. Professor Heckmann ist nicht „pessimistich“. Der Pfälzer Zungenschlag kommt einer bekannt vor. Professor Hartmut von Hentig, Pädagoge, rettet Herrn Heckmann aus Verlegenheiten. Das Fernsehen, erklärt er temperamentvoll, ist schuld. „Lesen ist eine Schultechnik geworden“. Die anderen Herren sitzen zurückgelehnt und halten sich den Mund zu. Ist Lesen eigentlich ein autorenfreier Raum? Nein. „Wenn man selbst schreibt, liest man auch.“ Herr Heckmann war schon in Kneipen und hat ca. eine Stunde vorgelesen. Gorki etwa.
Das Motto der nächsten Tagung: Gibt es eine Geschlechtlichkeit der Sprache? So ungefähr. Wenn bis dahin das Abendland und sein gutes Buch immer noch nicht untergegangen sind. Claudia Kohlhas
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