: Gardinen als Tarnung
■ AL präsentierte Entwurf für neues Wohnungsaufsichtsgesetz zur Bekämpfung von Leerständen / Steglitzer Haus als Beispiel / Auch Bußgelder bleiben wirkungslos
Unerbetenen Besuch von wißbegierigen JournalistInnen bekam gestern der private Eigentümer eines Steglitzer Altbaus in der Markelstraße 10. Zuvor hatte der baupolitische Sprecher der AL-Fraktion Michael Michaelis die Gelegenheit genutzt, in zwei augenscheinlich seit langem leerstehenden Zwei -Zimmer-Wohnungen im Hinterhaus des Altbaus die Sinnfälligkeit eines soeben erarbeiteten Entwurfs für ein neues Wohnungsaufsichtsgesetz zur Bekämpfung der Leerstände in Berlin zu demonstrieren.
Die Kachelofen-beheizten Wohnungen, für die sich sicher umgehend Mietinteressenten finden würden, wirkten nur leicht renovierungsbedürftig. Während ihre Türen merkwürdigerweise offen standen, waren - wohl zur Verbergung des Leerstandes die Gardinen vor den Fenstern zugezogen. Nach Informationen der Alternativen Liste sind in dem Haus teilweise seit mindestens fünf Jahren zehn bis zwölf Wohnungen unbenutzt. Daran habe auch eine vom Verwaltungsgericht verfügte Anordnung zur Wiedervermietung nichts geändert. Auch durch das Steglitzer Wohnungsamt verhängte Bußgelder in der stattlichen Höhe von insgesamt 33.000 Mark sowie mehrere Zwangsgelder fruchteten nicht.
Die Wohnungen seien von Erben verstorbener Mieter noch nicht gekündigt, erklärte der im Haus wohnende Eigentümer, ein alter Mann mit schlohweißem Bart, den Mißstand. „Es jibt ja jar keene Wohnungsnot“, versuchte er daneben durch die halb geöffnete Tür weiszumachen.
Das vorgelegte geänderte Wohnungsaufsichtsgesetz, das die AL-Fraktion demnächst zusammen mit der SPD in das Abgeordnetenhaus einbringen will, böte im konkreten Fall verschiedene Möglichkeiten, um den starrsinnigen Hausbesitzer auf Trab zu bringen. Das Wohnungsamt könnte zunächst anordnen, die Wohnungen auf den vorhandenen Standard wieder herzurichten sowie zu vermieten und diese Verfügung für sofort vollziehbar zu erklären. Nach einer ergebnislos verstrichenen Frist bestünde die Handhabe, das Haus einem öffentlich-rechtlichen Treuhänder zu übertragen. Dieser soll nach dem Entwurf vorübergehend die Eigentümerrechte wahrnehmen, wenn ein Eigentümer gegen den Willen der Wohnungsaufsicht Wohnraum verändert oder abreißt beziehungsweise leerstehen läßt.
Am kommenden Montag soll der AL-Gesetzestext, der auf einen SPD-Entwurf aus dem Jahr 1982 zurückgeht, in dem Koordinierungsausschuß von SPD und AL besprochen werden.
thok
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