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Jupp im Bayern-Glück

Bayern München - FC St. Pauli Hamburg 2:1  ■  Aus München W. Steigemann

Das Glück scheint wiedergekehrt zu sein in die Reihen des FC Bayern München, und deshalb huschte wohl ein seltenes Lächeln über das Gesicht von Trainer Heynckes, als er nach Abpfiff eine hervorragende Ausgangsposition gegenüber dem Rivalen aus Köln ausmachte. Was hat er auch leiden müssen in der Woche nach der schändlichen Niederlage in Stuttgart.

Da half zum Trost sein Spezi aus früheren Tagen, Uli Hoeneß, der in seiner illustren Behausung einen Bierabend mit gesammelter Mannschaft veranstaltete. Derweilen sich der Daum aus Köln redegewandt dem Münchner Publikum stellte und sich als Heynckes-Nachfolger anbot. Worauf dieser tiefschürfend reagierte: „Daums kommen und gehen, der Fußball aber bleibt.“

Selbst die „zahlreichen“ Münchner Linksradikalen wollten mitsägen am Trainerstuhl des armen Heynckes, denn sie mobilisierten für das Spiel und bewiesen per Transparent ihre Sympathie für die Hafenstraße. Fraternisierungsversuche mit den Fans des Lokalrivalen 1860 schlugen leider fehl, wohl wegen unüberbrückbarer ideologischer Differenzen.

Daß die geschriebenen Aversionen der Boulevardpresse gegen den Münchner Coach nicht als Funke auf das Publikum übersprangen, verdankte der Jupp sicherlich dem sprichwörtlichen Bayern-Glück, das nun endlich auch ihn in seine behütenden Arme aufnahm. Die Spieler verarbeiteten noch den Kater der bierseligen Aussprache, als die St.-Pauli -Stürmer Zander und Gohlke gleich nach Anstoß des Wettkampfes alleine auf Torhüter Aumann zustrebten und dann, vom Bannstrahl des Bayern-Glücks getroffen, matt den Ball neben das Tor setzten.

Daraufhin war es erst mal aus mit dem Vorwärtsdrang der Hamburger. Hoffend auf das Neapel-Syndrom eines Nachtweihs, droschen sie die Lederkugel immer wieder nach vorne. Langsam von den Bayern-Spielern geschoben, kam diese dann zurück an ihre 16-Meter-Grenze. Als einige Zuschauer schon der Sonne und dem genossenen Bier Tribut zollten und sanft entschliefen, raffte sich Thon auf, zwei Gegner zu umspielen und den Ball in den Strafraum zu befördern. Wegmann reagierte am schnellsten und konnte jubelnd zur Mittellinie abdrehen.

Von einer zentnerschweren Last befreit, spielten die Bayern jetzt so etwas wie Fußball und berannten mehr oder weniger gekonnt das Gehäuse der Hamburger. Bald aber kehrte der sommerlichen Temperatur entsprechend wieder Ruhe auf dem Rasen ein und boshafte Zuseher wollten den 22 Akteuren schon Sonnenöl zukommen lassen. Der Pausenpfiff ersparte allen die Prozedur des Eincremens.

Es waren wohl die drohenden Gewitterwolken am Horizont, die beide Mannschaften veranlaßten, nach dem Wechsel dem Betrachter ein gutes und spannendes Spiel zu liefern. Ausgerechnet Pflügler, der mit seiner technischen Gewandtheit auch in den Reihen des FC St. Pauli hätte spielen können, war es vorbehalten, den schönsten Spielzug des Tages mit Erfolg zu krönen. Kögl widerlegte die Theorie, daß es keinen Linksaußen mehr gibt, und spielte den legendären Doppelpaß, den Pflügler zum 2:0 abschloß.

Kurze Zeit später traf der Hamburger Duve den Ball so gekonnt, daß dieser über den verdutzten Aumann hinweg den Weg ins Netz fand. Leider erst jetzt blitzte jenes Fußballvermögen auf seiten der Hamburger auf, das alle Welt als Bereicherung der Bundesliga bezeichnet. Die Bayern konterten und veranlaßten Jupp Heynckes zu der Erkenntnis, daß das Spiel seiner Mannschaft am Ausnutzen der Torchancen krankt. Recht hat er, denn dümmer kann sich keiner mehr anstellen als ein Reuter, ein Dorfner, ein Kögl oder selbst ein Thon. Trotzdem herrschte ob der Nachricht des Punktverlustes der Kölner wieder eitel Sonnenschein in den Münchner Reihen. Selbst die Gewitterwolken verzogen sich schüchtern.

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