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Bezirksamt gegen Zelte

■ Die geräumten BesetzerInnen der Oranienstraße 192 wollen ihr Zeltdorf auf dem Kreuzberger Mariannenplatz erst verlassen, wenn sie in „ihr“ Haus zurückdürfen

„Räumung droht!!“ - Das Plakat, auf dem die frischgepinselte Hiobsbotschaft zu lesen ist, liegt noch flach im Gras. Die BesetzerInnen der Oranienstraße 192, die - nachdem die Polizei sie am Samstag früh geräumt hatte - ihre Zelte auf dem Mariannenplatz aufgeschlagen haben, sind sich sicher: „Wir werden hier sowieso geräumt“, prophezeit einer der rund 35 BesetzerInnen düster und beklagt das Desinteresse des Bezirksamtes an ihrer Situation. Die Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt sei zwar gestern mittag bei ihnen aufgetaucht, habe aber außer eines verbalen Achselzuckens nichts von sich gegeben. „Wenn ihr hier nicht freiwillig geht, werdet ihr geräumt“, habe die AL -Politikerin erklärt. Dazu die BesetzerInnen: „Die vom Bezirksamt haben doch nur Schiß, daß die Wohnungsnot durch unsere Zelte sichtbar wird.“ Nachdem sie die „O192“ zweimal besetzt hatten und jedesmal wieder vor die Tür gesetzt wurden, geben sich die ZeltbewohnerInnen entschlossen: „Wir bleiben hier, bis wir Nutzungsverträge für unser Haus bekommen.“ Instandgesetzt werden müsse die Oranienstraße 192 allerdings vom Bezirksamt, denn „die haben es ja schließlich verkommen lassen“, so der Tenor der BesetzerInnen.

Vorstellen könnten sie sich allerdings auch, daß ihnen ein gleichwertiges Haus, wie das von ihnen zweimal besetzte, zur Verfügung gestellt wird. So zum Beispiel die Cuvrystraße 35 am Schlesischen Tor, die ebenfalls zum Kreuzberger Wohnungsleergut gehört. Einen Vorschlag, den die Mitarbeiterin der Baustadträtin ihnen gemacht habe, weisen die Zeltdörfler jedoch empört von sich: „Die meinte, wir sollten unsere Zelte doch im Bayerischen Wald aufschlagen!“

Offiziell verhängte das Bezirksamt Kreuzberg gestern auf einer außerordentlichen Sitzung eine Informationssperre und heizte damit die Räumungsgerüchte noch an. Eichstädt und Bürgermeister König (SPD) weigerten sich, über das weitere Vorgehen des Bezirks Auskunft zu geben. „Weil wir nicht hektisch sind“, so König, sei der Beschluß gefallen, für den es „Gründe“ gebe. „Ich habe es nicht ganz kapiert“, erläuterte Eichstädt ihre Meinung zu der Info-Sperre. Unterdessen verteidigte gestern Bausenator Nagel (SPD) die Eigentümergesellschaft der „O192“ gegen Kritik der Stadträtin. Eichstädt hatte sich am Wochenende beschwert, die Bauarbeiten ließen auf sich warten. In der Oranienstraße 192 fänden durchaus bauvorbereitende Arbeiten statt, erklärte die Senatsbaubehörde. Ende dieser oder Anfang nächster Woche werde damit begonnen, das baufällige Dach abzureißen. Der Senator will der Eigentümergesellschaft Gesa deshalb nicht, wie von Eichstädt gewünscht, den Sanierungsauftrag entziehen.

cb/hmt

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