Die Lust am terrorisierenden Klang

■ (Die Klavierspielerin, 20.15 Uhr, SFB 3, Hörfunk)

Die Komponistin und Dirigentin Patricia Jünger hat einen Roman von Elfriede Jelinek bearbeitet; sie hat Die Klavierspielerin zu einem Melodram gemacht.

Der Stoff ist geeignet, denn die Geschichte der Klavierlehrerin Erika Kohut ist eine Leidensgeschichte: Sie scheitert als Pianistin, versagt als Frau und bleibt trotz fortgeschrittenen Alters ein abhängiges Kind, das in verzweifelter Haßliebe symbiotisch mit der Mutter zusammenlebt.

Das musikalische Bild, das Patricia Jünger nach dieser Vorlage entwirft, rückt das Ritualisierte der neurotischen, zwanghaften, selbstzerstörerischen Verhaltensweisen von Erika Kohut in den Mittelpunkt. Terrorisierende Klänge sind das Produkt. Auf Häuten wird getrommelt. Gesungene Tonfolgen gehen unter die Haut. Aber wer sich dem aussetzt und die Funkoper hört, wird trotzdem - auch lustvoll - gefesselt sein.

Maren Kroymann spricht den durch und durch musikalisierten Text als Teil der Partitur. Sie macht die Qualen der Erika Kohut hörbar, die eigene Anstrengung nicht. Davon ist nur im Gespräch die Rede, denn über die Zusammenarbeit mit Patricia Jünger sagt sie: „Auf alle Fälle überschreitest du mit ihr Grenzen. Eine 'normale‘ Arbeitsweise kommt nicht in Betracht. Sie berührt dich nicht nur, sie geht dich an, heftig. Daß sie dich dabei auf Händen tragen kann, ist kein Gegensatz. Du öffnest dich an Stellen, die du für undurchdringlich hieltest. Du erstaunst dich selbst. Du weißt nicht mehr: ist das Ausbeutung? Du schöpfst aus der Tiefe, holst aus, stichst, triffst. Du merkst: du bist von der Komponistin angestachelt worden wie die Klavierspielerin Erika Kohut von ihrer Mutter... Es kann bei einer Arbeit mit Patricia Jünger auch Verletzte und Tote geben.“

Angelika Bauer