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„Freiheit für Ute und Melanie Loh“

In Berlin bildete sich Unterstützerinnenkomitee für die in Nordzypern verurteilten und inhaftierten Frauen / Großdemonstration und Unterschriftensammlung geplant / Chancen für Gnadengesuch?  ■  Aus Berlin Helga Lukoschat

Die Verurteilung von Ute und Melanie Loh hat Empörung und Widerspruch hervorgerufen. In Berlin bildete sich jetzt ein Komitee, das kontinuierlich die beiden Frauen unterstützen und die Öffentlichkeit informieren will. Für den 30.Juni ist eine Großdemonstration in Berlin geplant.

Ute und Melanie Loh wurden in Famagusta (Nordzypern) zu vier bzw. drei Jahren Gefängnis wegen Totschlags verurteilt. Sie hatten den türkischen Zyprioten Özmen Tulga gemeinsam erdrosselt, nachdem dieser die beiden Frauen überfallen und die 20jährige Melanie Loh mehrfach vergewaltigt hatte. Das Gericht hatte die Notwehrsituation der Frauen nicht anerkannt.

In Berlin wurde am Freitag in einem größeren Kreis von FreundInnen und Angehörigen, Frauen von SPD und AL und Vertreterinnen autonomer Frauenprojekte darüber diskutiert, welche Schritte zum gegenwärtigen Zeitpunkt den größten Erfolg versprechen. Beschlossen wurde, neben der Demonstration bundesweit Unterschriften für die Freilassung der beiden Frauen zu sammeln. Diese sollen an den Bundestag und das Europäische Parlament weitergeleitet werden mit der Aufforderung, „alles zu tun“, damit Ute und Melanie Loh freikommen. Die Möglichkeiten der Einflußnahme sind allerdings begrenzt. Die Bundesrepublik unterhält zum 1974 von der türkischen Armee besetzten Nordzypern keine diplomatischen Beziehungen.

Das moderate Vorgehen wurde in der Diskussion mit der noch ausstehenden Berufungsverhandlung begründet. Offen ist allerdings, ob diese noch vor den nordzypriotischen Gerichtsferien (Juli bis September) stattfinden kann. Die Chancen auf Revision des Urteils wurden allerdings von Barbara Scheffer-Hegel, einer Freundin von Ute Loh, die zusammen mit der Berliner Frauensenatorin Anne Klein am Prozeß teilgenommen hatte, gering eingeschätzt. Die Hoffnung auf ein „rationales Rechtssystem“ hätte sich als falsch erwiesen. „Das Gericht in Famagusta hat nicht rational, sondern emotional entschieden. Bestimmend blieb das Bild des toten Mannes.“

Größere Chancen wurden einem möglichen Gnadengesuch eingeräumt. Ute und Melanie Loh könnten sich nach einer rechtskräftigen Verurteilung an das nordzypriotische Abgeordnetenhaus wenden. Hier wurde beschlossen, gegebenenfalls das Gnadengesuch mit Briefen und Appellen an Ministerpräsident Denktasch zu unterstützen. Ein Aufruf zu einem Reise- und Tourismusboykott wurde von der Mehrzahl der Anwesenden zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher skeptisch beurteilt. Ein Boykott könne als generell gegen Nordzypern gerichtet mißverstanden werden und damit die Stimmung negativ beeinflussen.

Kontakt: Berliner Frauenbund, Ansbacher Str.63, 1000 Berlin 30, Stichwort „Zypern“. Die Unterschriftenlisten sollen bis zum 15.Juni an diese Adresse zurückgeschickt werden. Weitere Informationen: Arbeitsstelle Frauenforschung der TU Berlin, Tel. 030/314 734 13 (8.30-13 Uhr)

Spendenkonto: Berliner FrauenfrAKTION, Halina Bendkowski und Alexandra Goy, Stichwort „Zypern“, BfG Berlin, BLZ 100 101 11, Kto.-Nr. 1623 9990 00

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